Großes Kino

Nachdem ich die letzten 8 Arbeitstage nicht im Büro war, fand ich heute Vormittag auf dem Rechner ein ziemlich überfülltes Postfach vor. Als der Blechdepp dann gegen 21:00 Uhr selbstständig herunterfuhr, um irgendein Update zu installieren und dabei vermutlich ein Dokument, an dem ich längere Zeit gearbeitet hatte, zerschossen hat, verließ ich genervt das Büro, um noch rechtzeitig in das 51-Stufen Kino im Deutschen Haus zu kommen. Dort laufen zur Zeit die 12 Flensburger Kurzfilmtage. Soweit ich mich erinnere, sollte der Spätblock um 21:45 beginnen. Tat er aber nicht. Als ich eintraf, lief der erste Film bereits. Ich war sehr dankbar, daß die Kartenverkäuferin mich in der Pause vor dem zweiten Film trotzdem noch eingelassen hat. Vor einigen Jahren war ich zu Besuch auf dem Kurzfilmfestival cellu l’art in Jena. Ich erinnere mich immer noch gerne an den Dialog zwischen einer jungen Filmemacherin, die ihren Erstlingsfilm auf dem Festival präsentierte, und einem älteren Kameramann. „Und wie fandest Du meinen Film?“ „Tolle Bilder, völlig sinnentleert, GROSSES KINO!“Seither habe ich meine Liebe zum Kurzfilm entdeckt. Heute Abend lief der Block „Life is not Reality. In „Fortune faded“ wurde die Geschichte eines brennenden Hauses in fast ausschließlich stehenden Bildern rückwärts erzählt. „2 Faces“ berichtet als imitierter Dokumentarfilm über die Begegnung eines Rollstuhlfahrers mit einer ebenfalls kranken Frau. Absolut schräg war der Beitrag „Blaubart“, ein Märchen für Erwachsene. Der Film bestand aus eingescannten Bildausschnitten von Centerfolds aus dem Playboy, allerdings ohne allzu viel nackte Haut zu zeigen. „Das Badezimmer” war eine Hommage an Hitchcock’s Psycho. Der Film mit dem kürzesten Abspann, den ich jemals gesehen habe. Genial. Der absolut intelligenteste Beitrag und eine geradezu abstruse Verschwörungstheorie erläutert die wahren Hintergründe für die Operation Desert Storm, den zweiten Golfkrieg. Im letzten Beitrag  blickt ein Mexikaner von Hamburg aus auf seine Heimat und befaßt sich dabei mit dem Thema Drogenkartelle und Gewalt. Von den Bildern her der eindrucksvollste Film. “Reality 2.0”.
So fand dieser Tag noch ein versöhnliches Ende. Und morgen früh schaue ich nach, was der Rechner aus meinem Dokument gemacht hat. Großes Kino.

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