Schafft sich Deutschland ab?

Unter dieser provokanten Überschrift stand der Vortrag von Prof. Dr. Tautz, den er heute in der Tourist-Info am Bahnhof gehalten hat. Im dem Vortrag ging es um die Genetik komplexer Vererbung. Prof. Dr. Tautz ist einer der Direktoren des hiesigen Max Planck Institut für Evolutionsbiologie. Veranstalterin war die Universitätsgesellschaft, Sektion Plön.

Gleich vorweg die Antwort: Nein, Deutschland schafft sich nicht ab.
Prof. Dr. Tautz zeigte auf, dass die Geschichte der Intelligenzforschung auch eine Geschichte von Scharlatanen und Betrügern ist. Im Rahmen seiner weiteren Ausführungen ging er unter anderem darauf ein, dass Thilo Sarrazin einen Teil seiner Aussagen aus dem umstrittenen Buch „The Bell Curve“ von Richard Herrnstein und Charles Murray (1994) übernommen und auf europäische Verhältnisse übertragen hat. Aus Farbigen wurden Türken.

Prof. Dr. Tautz fasste die Kernaussagen der „Bell Curve“ zusammen und bewertete sie wie folgt:
1. Man kann Intelligenz messen.
Diese Aussage trifft nur eingeschränkt zu. Intelligenz ist das, was man als Intelligenz messen will.
2. Zwischen 40% und 80% der Intelligenz ist erblich.
Diese Aussage ist nur innerhalb einer Vergleichsgruppe zulässig. Die gleichzeitige Betrachtung mehrerer Vergleichsguppen ist wissenschaftlich nicht haltbar.
3. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen haben unterschiedliche Intelligenz.
Blödsinn. Das Erbgut der Menschheit ist gut durchmischt, deutlich besser als bei allen anderen Primaten. Der Mensch ist die Spezie, die untereinander am nächsten verwand ist. 89 % der menschlichen Gene sind identisch. Die ungeheure Zufallskombination von Genen und Allelen führt zu einer gausschen Normalverteilung, auch beim Merkmal Intelligenz.
4. Weniger intelligente Menschen haben mehr Kinder und führen damit zu einer Verschlechterung des Gen-Pools.
Blödsinn. Solange sich nur 5 % der äußerst rechten und der äußerst linken Flanke der Glockenkurve mit dem Rest mischen, wird sich die durchschnittliche Intelligenz (was immer gemessen wird) auf den bestehenden Mittelwert hin bewegen.

3 Gedanken zu „Schafft sich Deutschland ab?

  1. Das Thema Vererblichkeit von Intelligenz ist sein langer Zeit auch ein politisches.
    Meist hat die Linke versucht, die Erblichkeit zu leugnen, weil sie Diskriminierung der “Unterprivilegierten” fürchtet und die Konservativen verfolgten eine Argumentationslinie, um bürgerliche Errungenschaften zu verteidigen.
    Die Vererbung von Intelligenz eignet sich jedoch weder für die eine, noch die andere Richtung und lässt sich nicht instrumentalisieren.

    Der deutsche nach England emigrierte Psychologe Eysenck und Mitarbeiter haben an eineiigen Zwillingen – auch getrennt aufgezogenen – das Erbmuster erforscht.
    Statistisch betrachtet macht sich ein Gesetz bemerkbar, das man Regression zum Mittelwert nennt, d.h. die Vererbung von Intelligenz erfolgt nicht linear oder gar kumulativ, sondern ein Teil der Nachkommen erreicht oder überschreitet die Intelligenz der Eltern, ein anderer Teil unterschreitet diese.
    In der vierten Generation macht sich die Intelligenz der Ur-Ur-Großeltern nicht mehr bemerkbar.
    Die Regression zum Mittelwert ist ein Effekt der Durchmischung der zahlreichen Gene.

    Neben der ererbten Veranlagung ist die Freisetzung von Intelligenz nun noch ein zweite und sehr wesentlich bestimmende Sache.

    Ob die Politik, insbesondere die Bildungspolitik die richtigen, nicht durch Vorurteile oder ideologische Scheuklappen verstellten Schlüsse aus der “Erblehre” zieht, darf bezweifelt werden. Vielmehr scheinen angestrebte Gesellschaftsmodelle die Blickrichtung zu dominieren. Man mag das bedauern.

    Hohe Intelligenz setzt sich oft, aber nicht immer gegen Widerstände, wie eine ungeeignete Schule, fehlende Förderung, nicht selten auch Anfeindung durch.

    Wünschenswert wären bildungspolitische Ansätze, die zur differenzierten Ausschöpfung des Möglichen auf jeder Stufe führen. Die Bildungspolitik sollte nicht mit gesellschaftspolitischen Aspekten, wie der Vermeidung von Diskriminierung vermengt werden. Nicht alles was sich Inklusion nennt, ist auch sinnvoll.

  2. Interessantes ZEIT-Interview mit dem amerikanischen Intelligenz-Forscher Robert Plomin über Intelligenz und Bildung
    Google-Suchwörter: Mein IQ ist mir egal
    Ausschnitt:
    ZEIT: Wenn der Intelligenzquotient (IQ) die beste Vorhersage für den Schulerfolg erlaubt: Haben dann nicht Leute recht, die sagen, Migrantenkinder mit schlechten Noten seien weniger intelligent?
    Plomin: Nein, sie haben nicht recht. Die individuellen Unterschiede beim IQ können hochgradig erblich sein, zugleich kann der Unterschied zwischen Migranten und Einheimischen vollständig der Umwelt geschuldet sein. Etwa indem Migranten wegen ihrer Herkunft nur schlechte Jobs bekommen, sie schlechtere Schulen besuchen und auch sonst diskriminiert werden. Ob sich zum Beispiel ethnische Gruppen in ihren durchschnittlichen Fähigkeiten genetisch unterscheiden, können wir gar nicht untersuchen.

  3. Vielleicht ist es lohnend, das Thema noch einmal aufzugreifen. Denn der Bedarf an individuell verfügbarer und gesamtgesellschaftlich benötigter Intelligenz bestimmt die Zukunft der Hochzivilisationen entscheidend mit.

    Es ist allgemein anerkannt, dass sich die messbare Intelligenz aus Erbanteilen und kulturellem Erwerb zusammen setzt. Auch die Messung selbst ist bis zu einem gewissen Grad ein kulturelles Artefakt. Deshalb sind interkulturelle Vergleiche nur mit äußerster Vorsicht zu genießen, wenngleich es durchaus ernsthafte und begründbare Vorstellungen gibt, diese zu trennen und zu beziffern.

    Hochinteressant wäre nun in diesem Zusammenhang natürlich die Feststellung, welche Ethnie über mehr angeborene Intelligenz verfügt. Eyssenck, der als emigrierter Jude alles andere als ein Rassist gewesen ist und sehr differenziert untersucht und argumentiert, hat für eine gewisse Enttäuschung der “weißen Rasse” gesorgt. Er hielt die Südostasiaten für die intelligenteste Ethnie.

    Dass heutzutage sich kaum jemand traut, dieses Thema aufzugreifen, liegt an dem politischen Missbrauch.
    Auch Sarrazin hat dafür gesorgt, das Thema nachhaltig mit populistischem Müll zu verschütten, seine Schlussfolgerungen aus dem Erbgang sind hanebüchen, seine Überlegungen, jungen Akademikerinnen die erwünschte Mutterschaft ohne Karriereknick und ohne wirtschaftliche Nachteile zu ermöglichen sind es nicht (!). Denn gerade hier ist für die Nachkommenschaft auch mit familiären Anreizen zum Ausbau und Erwerb intelligenter Techniken und einer entsprechende Persönlichkeitsbildung zu rechnen.
    Dass derartige familiäre Anreize unterhalb akademischer Ebene geringer ausgeprägt sind oder gar fehlen, ist kein Grund, die gezielte Förderung an anderer Stelle zu unterlassen. Wenn man Elite als Leistungselite und Leistung als Bringschuld von Intelligenz definiert, sollte man dabei auch keine großen Schwierigkeiten haben.

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