Nein, es geht nicht um Stuttgart 21, oder nur indirekt. Es geht auch nicht um die Verwunderung des Innenministers über die Gewaltbereitschaft der heutigen Demonstranten, oder eben nur indirekt. Es geht um die gleichnamige Ausstellung im Volkskunde Museum Schleswig.
Hier werden die Krawalle in Schleswig Holstein während der letzten 170 Jahre dargestellt.
Nach Pierers Universal-Lexikon von 1860 ist ein Krawall eine „mit Lärmen, Demoliren etc. verbundene politische Demonstration (meistens nur der niedersten Volksschichten) von größerem Umfang.“
Da das Fotografieren offenbar nicht verboten war, habe ich ein paar Bilder gemacht, von denen ich die Besten mit ein paar Randbemerkungen einstellen will. Dabei kann es sich natürlich nicht um eine komplette Beschreibung der Ausstellung handeln.
Der Eingangsraum ist mit seinen hängenden Schlagstöcken und Pflastersteinen eindrucksvoll gestaltet und macht neugierig auf mehr. Zuerst geht es in die Ausstellungsräume Husumer Butterkrieg (1848) und Kapp-Putsch (1920) .
Der nächste Raum ist der Landvolkbewegung gewidmet. Die Bewegung bildete sich in den Zwanziger Jahren mit dem Schwerpunkt in Dithmarschen als Folge der Öffnung des deutschen Marktes für ausländische Agrarprodukte, der Zins- und Abgabenlast und der Weltwitschaftskrise, die zahlreiche Bauern in Schleswig Holstein um ihre Existenz brachte oder zumindest an den Rand des Ruins führte. Die Landvolkbewegung war völkisch und antisemitsich orientiert und ging später im Nationalsozialismus auf. Einelne Mitglieder scheuten auch nicht vor Gewaltanwendung zurück. So platzte ab und an in dem ein oder anderen Finanz- oder Landratsamt schon mal eine Bombe.
Auch die Reichsprogromnacht wird dem Krawall zugerechnet. Was sie von den anderen Krawallen unterscheidet, ist die Deckung bzw. Duldung bzw. die Steuerung durch die Obrigkeit.
Nach dem Krieg ging es dann weiter. In den Fünfziger Jahren sorgten die “Halbstarken” für Aufsehen. Ihr Ansinnen war weniger politisch und mehr Ausdruck des jugendlichen Übermutes in Verbindung mit einem durch Rock ‘n Roll beeinflußten, neuen Lebensgefühl. Der Bruch mit der Generation der Eltern und Großeltern ergab sich dann von selbst.
Ungefähr 10 Jahre später, Studentenunruhen auch in Kiel. Jetzt erfolgt der politisch motivierte Bruch mit der Eltern und Großelterngeneration, mit Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung, die bis heute nachwirken. In einem kurzen Schwarz-Weiß Film wird der Polizeieinsatz zur Aufrechterhaltung der Bannmeile um die Kieler Landtag gezeigt. Die Gewalt wirkt ritualisiert.
Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) brachte in Anlehnung an die damalige Werbund der Bundesbahn ein Plakat von Jürgen Holtfreter und Ulrich Bernhartd heraus,das seinerzeit mindestens so bekannt war wie das Original.
In der Anti-AKW Bewegung der späten Siebziger und der frühen Achtziger Jahre funktioniert die Ritualisierung der Gewalt nicht mehr. Die Auseinandersetzungen zwischen Polzei und gewalttätigen Demonstranten eskalieren.
Die Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksgerichteten anläßlich der Wehrmachtsausstellung in Kiel sind ein weiteres Thema, ebenso wie die Randale, die sich am Rande der Fußballspiele unserer Nordclubs abspielt.
Und was gibt es im Museum sonst noch zu sehen?
1. Werner hat es in die Ausstellung “Schleswig Holsteinishce Erinnerungsorte” gebracht.
2. Der C 64 – der Urvater aller Daddelelektronik – ist als Neuzugang in die Haushaltsgerätesammlung aufgenommen worden.
Mein Fazit: ein lohnender Besuch, bei dem man sich auch das Museums – Cafe nicht entgehen lassen sollte.