„Ich bin immer noch in erster Ehe verheiratet. Das ist in der SPD nicht karrierefördernd.“ kokettierte Peer Steinbrück auf der gestrigen Veranstaltung „Klartext“ in der Sparkassenarena in Kiel. Außerdem versprach er, keine Vergleiche mehr mit ehrbaren berufen anzustellen.
Die Lounge der Sparkassenarena war gut gefüllt. Einlaß sollte um 19:00 Uhr sein. Da ich vorher noch bis 18:00 Uhr einen dienstlichen Termin in Kiel hatte, war ich sehr pünktlich vor Ort und konnte mich über einen guten Sitzplatz in unmittelbarer Nähe des Rednerpultes freuen.
Gesundheitlich durch eine Erkältung angeschlagen, lief Peer Steinbrück schnell zu Hochform auf. Er machte alles in allem einen sehr souveränen Eindruck. Aus dem Publikum wurden jeweils drei Fragen gesammelt, die der Kanzlerkandidat dann beantwortete. Bei einigen wenigen Fällen blieb er die Antwort schuldig, aber so geschickt daß man es kaum merkte. Die Fragen habe ich mir nicht notiert, im folgenden die Antworten:
+ Es soll keine Belastung des Eigenkapitals mittelständischer Unternehmen geben.
+ Ziel ist ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro und gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, und zwar sowohl für Leiharbeit wie auch für Männer und Frauen.
+ Europa. Wir leben in Mitteleuropa seit fast 70 Jahren in Frieden. Das ist ein einmalig langer Zeitraum, für den wir dankbar sein müssen. Europa ist bereits heute mehr als nur ein Markt. Der Umstand, daß 40 – 45 % unserer Exporte in das europäische Ausland gehen, macht aber klar, daß es unserer Wirtschaft nur gut geht, wenn es auch unseren europäischen Nachbarn gut geht.
+ Am Euro muß festgehalten werden. Der Euro ist eine stabile Währung, stabiler als die DM in den letzten 10 Jahren vor ihrer Ablösung. Eine Wiedereinführung der DM würde zu einer Aufwertung der Währung gegenüber dem Euro von ca. 30 % führen, während viele Währungen von Nachbarstaaten deutlich abgewertet würden. Diese Entwicklung würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erheblich beeinträchtigen. Allerdings wird auch die Stabilisierung des Euro kosten, das muß klar herausgestellt werden.
+ Die Energiewende wird erfordern, sowohl Kohle- wie auch Gaskraftwerke zu errichten. Die CO2 Speicherung wird auf Landesebene zu regeln sein.
+ Die Instandhaltung und der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals ist für die Wirtschaft, den Verkehr und die Umwelt von großer Bedeutung. (Anm.: In wie weit aus dieser Aussage die Bereitstellung der Mittel abzuleiten ist, kann ich aber nicht beurteilen.)
+ Die Agenda 2010 darf nicht nur auf Hartz 4 und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe reduziert werden. Die Agenda war wichtig und richtig. Entscheidend sei jetzt, erkannte Fehlentwicklungen wie etwa bei der Leiharbeit oder der Aufsplitterung regulärer Arbeitsverhältnisse in 400 Euro Jobs entgegenzuwirken.
+ Das Renteneintrittsalter wird steigen müssen. Hier dürfe man die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen:
– Das Berufseinstiegsalter ist kontinuierlich gestiegen
– Die Lebensarbeitszeit ist gesunken,
– Die Bezugsdauer der Rente hat sich für Männer von 8 Jahren in den Siebzigern auf ca. 16 Jahre nahezu verdoppelt.
Bei der Festsetzung des Renteneintrittsalters sind flexible Übergänge und regelmäßige Überprüfungen erforderlich. Nach 45 Versicherungsjahren ist der Übergang in die Rente ohne Abschläge mögllich.
+ Die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplittings begünstigt Besserverdiener und ist mit zu erwartenden Mindereinnahmen von 10 Mrd. Euro nicht zu finanzieren.
+ Ein Abschmelzen des „Mittelstandsbauches ist wünschenswert, würde aber zu Steuermindereinnahmen von 25 Mrd. Euro führen, die dann n anderer Stelle wieder kompensiert werden müßten.
+ Neuordnung des Länderfinanzausgleiches. In schwieriges Thema. Haben nur drei Leute verstanden. Der eine ist gestorben, der andere verrückt geworden und der dritte war ich, ich habe aber alles vergessen. Klare Absage an den Wettbewerbsföderalismus, der von der CSU propagiert wird.
+ Öffnung des Bildungssystems, längere gemeinsame Grundschulphase, Verringerung der Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungsabschluß, Zweifel, ob G8 tatsächlich die beste Lösung ist.
+ Zurückhaltung bei der Gewährung individueller Transferleistungen, Stärkung der Betreuungsinfrastruktur
+ Gegen EU Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung, Beibehaltung des Rechtsstatus der Sparkassen.
+ Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrages um 0,5 %, heranziehen aller Einkommensarten zur Finanzierung der Pflegeversicherung.
+ Für NPD-Verbotsverfahren
+ Ja zu Schuldenbremse im Grundgesetz, Nettokreditaufnahme auf Null bringen.
+ Mali: Keine Bodentruppen, aber Unterstützung der französischen Streitkräfte.
+ Israel: Keine deutschen Alleingänge. Zweistaaten-Lösung. Existenz Israel in gesicherten Grenzen, palestinensischer Staat.
+ Derzeit keine allgemeine Wechselstimmung, aber verschiedenen Grundströmungen wie z.B.:
– Faire Löhne
– Rente
– Pflege
– Mieten / Wohnraum
– Kinderbetreuung.
Wichtig im Wahlkampf ist, potentielle SPD – Wähler zu mobilisieren. Dazu das Gespräch mit Freunden und Freundinnen, Nachbarn und Nachbarinnen sowie Kolleginnen und Kollegen suchen. Selber laufen und Mundpropaganda sind wichtig, Wahlen werden nicht in sozialen Netzten gewonnen.