Gestern stand es in der Zeitung, ich habe es für einen schlechten Scherz gehalten. Inzwischen habe ich festgestellt, es ist Ernst. Der katholische Hamburger Erzbischof Herbert Thissen – in seiner kirchlichen Funktion auch für Schleswig Holstein zuständig – fordert einen Gottesbezug in die neue Landesverfassung Schleswig Holsteins aufzunehmen. Zustimmung erhielt Thissen nicht nur von Seiten der CDU und Teilen der SPD und der Grünen, sondern auch vom Vorsitzenden der islamischen Religionsgemeinschaft Schura, Fatih Mutlu. “Es gibt nur einen Gott”. Die christliche Bezeichnung “Gott” störe ihn nicht. “Wir leben ja in einem christlichen Land.
Im Namen dieses einen Gottes, der übrigens von arabischen Christen auch Allah genannt wird, weil es sich schlicht und einfach um die Übersetzung des Wortes Gott handelt, im Namen dieses Gottes, an den Juden, Muslime und Christen gleichermaßen glauben, führten und führen die Glaubensgemeinschaften seit hunderten von Jahren entweder gegeneinander oder auch gerne innerhalb des eigenen Glaubenskreises untereinander Kriege mit Millionen von Opfern. Von Hexenverfolgung, Inquisition ect. will ich gar nicht erst anfangen.
Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation des Erzbischofs – sagen wir mal – bemüht.
„Der Gottesbezug verweise darauf, dass es nicht um die Schaffung eines perfekten Gemeinwesens gehe“ „Mit den beiden Ideologien Kommunismus und Nationalsozialismus, die das hätten erreichen wollen, habe Deutschland bittere Erfahrungen gemacht.“
Es wird immer gerne – und hier indirekt – angeführt, daß der Glaube die Menschen davon abhalten würde, Verbrechen zu begehen. Das ist falsch. Gerade im Nationalsozialismus gab es eine sehr enge Verzahnung von Kirche und Staat. Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab es in Kirchenkreisen natürlich auch, es war aber eher die Ausnahme und vor allem kein Alleinstellungsmerkmal. Auch wenn einige führende Köpfe der NSDAP recht verschrobenen, esoterischen Weltanschauungen anhingen, viele der Täter und vor allem der Mitläufer waren Christen.
„Der Gottesbezug bringe zum Ausdruck, dass in der Demokratie der Ort der höchsten Macht frei bleibe“
Ich gebe zu, ich verstehe jedes einzelne Wort dieses Satzes, den Sinn aber nicht.
„Der Gottesbezug sage ja gerade, dass es “keine Diktatur der Mehrheit” geben dürfe“
Das kann ich nicht nachvollziehen. Der Gottesbezug sagt gar nichts in dieser Richtung. Man kann es hineininterpretieren, wenn einem richtig gute Argumente für die Aufnahme des Gottesbezuges fehlen. Genauso gut kann man argumentieren, daß eine Aufnahme des Gottesbezuges ein Diktat der Mehrheit ist, insbesondere, wenn sie mit 2/3 Mehrheit erfolgt.
Die Grundrechte sichern die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden im Übrigen nicht durch die Kirche, sondern gegen den Widerstand der Kirche erkämpft.
Sie sind in den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes geregelt. Sie schließen die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie der ungestörten Religionsausübung (Artikel 4) mit ein. Mit Artikel 2a legt die Schleswig Holsteinische Verfassung fest, daß die Grundrechte, wie sie im Grundgesetz niedergelegt sind, auch Bestandteil unserer Landesverfassung sind. Das hat jahrzehnte lang gereicht, es sollte auch in Zukunft reichen.
“Zudem sei die vorgeschlagene Formulierung “in Verantwortung vor Gott” bereits ein Kompromiss. Unter ihm könnten sich Gläubige verschiedener Religionen versammeln.“
Das ist so nur für die Mitglieder der großen monotheistischen Religionen zutreffend.
Mit der Aufnahme dieses Satzes werden die große Anzahl von Atheisten oder Agnostiker ganz eindeutig ausgeschlossen, ebenso Buddhisten. Von echten Minderheiten, wie etwa Menschen, die an Naturreligionen oder mehreren Göttinnen und Göttern glauben, ganz zu schweigen.
Der so genannte Kompromiss steht übrigens so in der Präambel des Grundgesetzes. Dafür gibt es historische Gründe. Eine Übernahme in die Landesverfassung wäre heute nicht mehr zeitgemäß.
Der Ansatz, einen Gottesbezug in unsere Landesverfassung aufzunehmen, ist Unfug. Die Trennung von Staat und Religion ist richtig, sie darf nicht aufgeweicht werden. Die Rechte der Gläubigen werden ebenso wie die Rechte derer, die nicht an einen Gott glauben, gleichermaßen durch die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses grundgesetzlich geschützt. Das ist gut so, mehr ist nicht erforderlich und stiftet nur Unfrieden, wie mein heutiger Beitrag zeigt.
Alternativ wäre es nur recht und billig, auch allen anderen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen einen wie auch immer gearteten Bezug in der Präambel der neuen Landesverfassung zuzubilligen. Oder warum den Begriff Gott nicht einfach mal gendern oder durch den Ausdruck aus Dr. Murkes gesammeltem Schweigen ersetzen.
C. F. von Weizsäcker sagte 1983 (vor 25 Jahren), daß sein Buch, (Der bedrohte Friede) welches er als sein letztes “großes Werk” bezeichnete, mit Sicherheit von der Bevölkerung nicht verstanden würde. Das deutsche Volk bewertete er wenig schmeichelhaft:
absolut obrigkeitshörig
des Denkens entwöhnt
typischer Befehlsempfänger
ein Held vor dem Feind, aber ein totaler Mangel an Zivilcourage!
Der typische Deutsche verteidigt sich erst dann, wenn er nichts mehrhat, was sich zu verteidigen lohnt. Wenn er aber aus seinem Schlaf erwachtist, dann schlägt er in blindem Zorn alles kurz und klein – auch das, was ihm noch helfen könnte!
So fügt sich der Wahnsinn um Glauben die Kirche eben dort ein. Zeitgemäss ist es ebenso nicht, aber das interessiert die physikalische Welt in der wir leben nicht. Resonanz bestimmt ebenso wie Ursache und Wirkung unser Dasein.