Versöhnung über Gräbern

In den vergangenen Jahren hat das Totengedenken am Volkstrauertag in Plön zu einer sehr würdigen und zeitgemäßen Form gefunden. Sehr bedauerlich war in diesem Jahr, daß die Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG der Gemeinschaftsschule keinen eigenen Beirag leisten konnten.

Unsere Bürgervorsteherin begrüßte dann die Anwesenden, vergaß dabei aber in diesem Jahr unseren Bürgermeister. Noch mehr ärgerte mich aber, daß sie das Wort “Uniformträger” gebrauchte.
Dieses Wort ist für mich ein Unwort und darum vorab ein paar persönliche Gedanken dazu.
Ich war Staatsbürger in Uniform, ich habe meine Uniform gerne getragen, aber ich war Soldat und mit Sicherheit habe ich mich niemals als “Uniformträger” gefühlt.
Dieser Ausdruck, der m.E. aus der Feder von Tintenpissern in der Ministerialbürokratie stammt, ist für mich abwertend und ich glaube, daß er weder unseren Soldatinnen und Soldaten, unserer Polizisten und Polizistinnen oder unseren Männern und Frauen bei der Feuerwehr oder beim THW gerecht wird.
Noch mehr habe ich mich aber darüber geärgert, daß sie in ihrer Begrüßung den Eindruck erweckte, heute würde ausschließlich der gefallenen deutschen Soldaten der beiden Weltkriege gedacht. In den vergangenen Jahren wurde ausdrücklich immer aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht.

Dazu aus der Rede des Bundespräsidenten Gauck aus dem Jahr 2016:

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern,
und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Dankenswerterweise stellte Pastorin Lubeck von der Evangelischen Kirchengemeinde das in ihrer anschließenden, emotionellen Rede unmißverständlich klar und sprach von ihrer Hoffung auf ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft.

Herr Ralf-Jürgen Rackwitz vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge machte das 100-jährige Bestehen des Volksbundes zum Thema seiner Ansprache. Er führte aus, daß mit dem aufkommen der nationalen Unabhängigkeitsbewegungen im 19. Jahrhundert die gefallenen Soldaten nicht mehr Söldner eines Herrschers waren, sondern zu Helden des Kampfes um die Heimat wurden und im Gegensatz zur Zeit davor individuelle Gräber bekamen, die auch gleichzeitig Gedenkstätten waren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dann im Versailler Vertrag vereinbart, die Kriegsgräber der gefallenen Soldaten unangetastet zu lassen und zu pflegen. Diese Pflicht, die eigentlich dem Staat oblag, in dem sich die Gräber befanden, wurde dann später in den zwanziger Jahren vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge übernommen. Herr Rackwitz stellte die Arbeit des Volksbundes als überparteilich dar und betonte die Beteiligung aller politischen Lager am gemeinsamen Trauern.
Nach der Machtübernahme der NS-Diktatur kam es zur Selbstgleichschaltung des Volksbundes und dann zur Umbenennung des Volkstrauertages in Heldengedenktag.
Nach dem zweiten Weltkrieg mit über 60 Millionen Toten, also mit über 1000 Toten pro Stunde – um das Ausmaß des Sterbens zu verdeutlichen: alle Bürgerinnen und Bürger Plöns wären nach 9 Stunden tot, und das Tag für Tag, sechs Jahre lang – wurde der Volkstrauertag wieder eingeführt. Er brach damit schon vom Namen her mit der Tradition des Heldengedenktages.
Der Volksbund entwickelte das Motto der “Versöhnung über den Gräbern” und sieht sich heute dem friedlichen Zusammenleben der Völker verpflichtet. Die Gräber mahnen zum Frieden. Er zitierte Jean-Claude Junker:
“Wer an Europa zweifelt, sollte einen Soldatenfriedhof besuchen.”

Der Kreispräsident, Herr Sönnichsen, hob den besonderen Charakter der Plöner Veranstaltung hervor und unterstrich mit zahlreichen Beispielen aus seiner politischen Arbeit die Bedeutung von Soldatenfriedhöfen als Erinnerungsort.

Sehr gut gefallen hat mir auch die Rede von Korvettenkapitän Felix Kloke, der auf die Beziehung von Volkstrauertag und Bundeswher einging. Er betonte, daß gerade in den Anfangstagen der Bundeswehr deren Soldaten meist mindestens ein Familienmitglied im Ersten- oder Zweiten Weltkrieg verloren hatten und auf der einen Seite die Trauer und der Wunsch nach einem allgemeinen Trauertag standen, auf der anderen Seite aber auch damals schon klar war, daß weder die monarchistischen noch die nationalsozialistischen Streitkräfte traditionsbegründend für die Bundeswehr sein können. Allerdings hat man sich teilweise intern sehr lange damit schwer getan hat, wie später die Anwesenheit von Soldaten der Bundeswehr bei Beerdigungen von bekannten und hoch dekorierten ehemaligen Soldaten der Wehrmacht oder anderen Nazi-Größen beweist. Er wies auch auf das Gedenken an die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr hin und erwähnte neben dem öffentlich zugänglichen Ehrenmal der Bundeswehr auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin auch den Wald der Erinnerungen in der Henning-von-Tresckow-Kaserne. Die Soldatinnen und Soldaten haben in den Einsatzländern Ehrenhaine als Orte des Gedenkens für die Kameradinnen und Kameraden angelegt, die im Einsatz getötet wurden. Beim Abzug werden die Ehrenhaine oder wesentliche Teile davon in den Wald der Erinnerung verlegt, um einen Platz für die individuelle Trauer in aller Stille zu schaffen.

Die anschließende Kranzniederlegung an der Biberhöhe war sehr würdig. Peinlich ist nur, wenn einige Teilnehmer*innen die Nationalhymne mitsingen, aber schon an der Stelle mit “… sind des Glückes Unterpfand … ” am Text scheitern.

Die anschließende Erbsensuppe wurde von der MUS bereitgestellt und schmeckte ausgezeichnet. Dabei ergab sich für mich noch die Möglichkeit, das ein oder andere Gespräch zu führen.

Für mich ist der Volkstrauertag in Plön eine sehr gelungene und in ihrer Form angemessenen Veranstaltung, an der ich auch im kommenden Jahr wieder teilnehmen werde. Ich bin schon jetzt gespannt auf den Beitrag der Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule, der dann hoffentlich das Programm ergänzen wird.
Allen Beteiligten – ob als Redner, als Musikerinnenund Musiker für das Rahmenprogramm oder als Organisationskräfte, die diese Veranstaltung erst möglich gemacht haben –  möchte ich persönlich danken. 

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