Der Crash des Kapitalismus (2)

Schritte auf dem Weg in die Krise (05. April 2009)

Bereits die Weltwirtschaftskrise von 1929 hat gezeigt, dass die Kräfte des Marktes nicht sich selbst überlassen werden dürfen. Diese Erkenntnis führte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zu Überlegungen, wie derartig katastrophale Wirtschaftseinbrüche zukünftig vermieden werden können. Das Ergebnis dieses Prozesses war ein festes Wechselkurssystems, benannt nach dem Ort, in dem es vereinbart wurde: Bretton Wood. Es wurde wesentlich von den Überlegungen des Ökonomen Sir John Maynard Keynes geprägt, der auch schon für die erfolgreiche Beschäftigungspolitik des New Deals von US Präsident Roosevelt in den dreißiger Jahren Pate stand. Das System der festen Wechselkurse hat sich ein Vierteljahrhundert bewährt und wurde Opfer des Vietnamkrieges.
Der Vietnamkrieg stellte sich für die USA als verlustreich und kostenspielig heraus. Zur Finanzierung wurden Dollars gedruckt, der Wert der Leitwährung geriet zusehens unter Druck, die Arbeitslosenzahlen stiegen, die Preise ebenfalls. Die Garantie, Dollars jederzeit in Gold umtauschen zu können, lässt die Goldvorräte in Fort Knox dahin schmelzen. Am 15. August 1971 verkündete der amerikanische Präsident Richard Nixon das Ende der festen Wechselkurse. „Er will die Macht der Spekulanten brechen, die den Dollar angreifen.“
“Das abrupte Ende von Bretton Woods markiert den Beginn der heutigen Globalisierung“.
Gleichzeitig beginnt eine Ära der Deregulierung und Privatisierung. Der Telefonmonopolist AT&T wird aufgebrochen, der beginnende Wettbewerb macht den Weg frei für den späteren Erfolg der Mobiltelephonie und des Internets. Weiter Branchen werden unterliegen dieser Entwicklung, etwa die Energieversorgung, das Speditionsgewerbe und die Luftfahrt. Marktradikale Gedanken, wie sie die „Chicago Boys“ und ihr Vordenker Milton Friedman vertreten, greifen langsam Raum.
Der Rückzug des Staates wirkt sich ebenfalls auf die Kapitalmärkte aus. Die Regelungs- und Kontrollmöglichkeiten der Staaten werden nach und nach aufgegeben. Die Kontrollen für den Kapitalverkehr werden abgeschafft. Die Devisenbörsen sollen sich zu Spekulationsplätzen entwickeln, an denen täglich 3 Billionen Dollar umgesetzt werden, 90 mal so viel, wie der Welthandel an Waren bewegt. Neue Finanzprodukte wie Derivate dienen Anfangs noch dazu, Handelsgeschäfte gegen schwankende Wechselkurse abzusichern, später verkommen sie zum Teil zu reinen Spekulationspapieren. Neue Technologien, erst Telefon und FAX, später Internet erhöhen die Taktzahl auf dem Börsenparkett. Gleichzeitig entstehen neue Finanzprodukte. Hypotheken, Wertpapiere und Termingeschäfte werden zu Kreditpaketen zusammengeschnürt, die um den Globus wandern. Private Equity-, Pensions- Investment- und Hedgefonds gewinnen an Einfluß und Macht. So besitzen die Pensionsfonds in den USA mehr als die Hälfte aller Anteile der 1000 größten Unternehmen des Landes. Während vor dem 15. August 1971 die großen Unternehmen die wesentliche Rolle in der Wirtschaft spielten, wird diese Rolle mehr und mehr von den Banken und „Finanzdienstleistern“ übernommen.

Magret Thatscher entmachtet die Gewerkschaften
Der Österreicher Friedrich August von Hayek ist der wichtigste Vordenker der „Eisernen Lady“. Der Grundtenor: Subventionen streichen, Sozialausgaben kappen, Zinsen erhöhen und die Inflationsrate auf Null drücken. Der Erzfeind. Athur Scargill, Chef der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). 1974 konnte sie den bis dahin letzten konservativen Premierminister in einem 25 wöchigen Streik aus dem Amt hebeln. Das United Kingkom ist jedoch der kranke Mann Europas. Die Industrie liegt brach, streikende Arbeiter bringen das Land beinahe zum erliegen. Die Müllabfuhr funktioniert nicht mehr, Schulen schließen, Strom wird rationiert. Mit einer Reihe von Gesetzen wird der Aufruf zu Streiks ohne Urabstimmung verboten, ebenso wie Sympathiestreiks solidarischer Gewerkschaften und die Praxis des „closed shop“, die Unternehmen dazu zwingt, ausschließlich Gewerkschaftsmitglieder zu beschäftigen. Sie privatisiert die Gaswerke, die British Airways, den Autobauer British Leyland, die British Rail und die British National Oil Corporation. Die Senkung des Spitzensteuersatzes begünstigt die Besserverdiener, die Erhöhung der Mehrwertsteuer trifft den Normalverdiener. Sie verweigert Subventionen, die Zinsen werden auf ihren Druck hin auf 17 % erhöht, um den Preisanstieg zu drücken.
Der Angriff auf Scargill und die Gewerkschaften beginnt am 6. März 1984. Die Kohlebehörde verkündet die Schließung von 20 der 176 staatlichen Kohlegruben. 20000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Unter Missachtung der Arbeitskampfgesetze ruft Scargill zum Streik auf. Mit Barrikaden werden Streikbrecher am Betreten der Betriebe gehindert. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei folgen, mehrere tausend Arbeiter und 1400 Polizisten werden z.T schwer verletzt. Nach 51 Wochen wird der Streik ergebnislos aufgegeben. Die Kumpels haben durch Lohnausfall durchschnittlich 9000 Pfund (16000 Euro) verloren, sich verschulden und z.T. ihre Habe verkaufen müssen. Der Streik kostete 3 mal so viel wie der Falklandkrieg, umgerechnet 5,5 Milliarden Euro, aber die Macht der Gewerkschaft war gebrochen. Die NUM verlor ungefähr ¾ ihrer Mitglieder, von 230 000 Bergarbeitern sind am Ende von Thatchers Amtszeit nur noch 38000 übrig.

Der Steuerrevolutionär Ronald Reagan
1981, zwei Jahre nach Beginn des Thatcherismus, wird Ronal Reagan zum US-Präsidenten gewählt. Er sitzt einer Kurve auf, der Laffer Kurve. Sie zeigt die Höhe der Steuereinnahmen im Verhältnis zum Steuersatz auf. Bei einem Steuersatz von Null hat der Staat auch Null Steuereinnahmen. Steigt der Steuersatz, steigen auch die Einnahmen, die Kurve flacht aber später ab und erreicht ihren höchsten Punkt bei einem bestimmten Steuersatz. Steigt der Steuersatz weiter, sinken die Steuereinnahmen, da es sich nicht mehr lohnt zu Arbeiten. Laffer glaubt, dass die meisten Länder rechts des Scheitelpunktes liegen und überzeugt auch Reagan hiervon. Er ist zudem Vertreter einer Radikalen Linie des Neoliberalismus, der Supply Side Economy. Anders als die nachfrageorientierte Auffassung der Keynesianer vertreten sie eine absolut angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, aus der sich der Staat so weit wie möglich zurückzuziehen hat. Leider war wohl nicht so ganz klar, bei welchem Steuersatz der Scheitelpunkt der Laffer-Kurve liegt. Tatsächlich kostet die Steuerreform den Staat 700 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig steigen die Rüstungsausgaben, sowohl für konventionelle Rüstungsvorhaben, wie auch für das umstrittene „Star Wars“ Raketenabwehrprogramm (Stratecic Defence Initiative (SDI)). Seine Zielsetzungen, die Steuerlast um ca. 25 % zu senken, das Haushaltsdefizit auszugleichen, keine neuen Schulden aufzunehmen lassen sich schon auf den ersten Blick nicht miteinander vereinbaren. Um den Preisanstieg zu stoppen werden die Zinsen angehoben. Für eine 30 jährige Hypothek waren Anfang der achtziger Jahre 19 % fällig. Das hohe Zinsniveau bremst die Investitionsfreude der Unternehmen und die Konsumlust der Verbraucher. Die Arbeitslosigkeit steigt zunächst. Zum Ende seiner Amtszeit können sich die Wirtschaftszahlen der USA zwar sehen lassen, 17 Millionen neue Jobs, 3 % Wirtschaftswachstum und eine von 13,5 auf 4,1 % gesenkte Inflationsrate, dafür eine auf 2 Billionen angestiegene Staatsverschuldung. Die USA haben sich vom Kreditgeber zum Schuldner gewandelt. „Erstmals seit Ende des ersten Weltkrieges müssen die Amerikaner Kapital importieren, um ihre Wirtschaft in Gang zu halten.“ Auch wenn es unter der Clinton-Administration gelang, die Schuldenspirale anzuhalten, drehte sie sich unter Bush weiter und führte dann zu der Schuldenblase, die 2007 dann platzte.

Kohl, Euro und Privatisierungswelle
In die Ära Kohl fallen 2 Dinge, die zur Entwicklung der heutigen Situation beigetragen haben, die Einführung des Euro und die Privatisierung großer Teile bislang staatseigener Unternehmen. Der Euro ist das größte Wirtschaftsexperiment aller Zeiten. Die Regierungen geben einen Teil ihrer Souveränität ab. Sie können die Währung nicht mehr beeinflussen, um etwa durch eine Abwertung den Export zu beflügeln oder eine Rezession abzufedern. Der Reformdruck steigt, Arbeitsmärkte müssen geöffnet werden, ein Steuersenkungswettlauf kommt in Gang und der staatliche Griff auf die Wirtschaft wird gelockert. In Verbindung mit dem freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital entwickelt sich die EU zu einem dynamischen Wirtschaftsraum. Banken können sich innerhalb des Wirtschaftsraumes überall niederlassen und fusionieren. Versicherungs-, Transport-, Energie- und Telekommunikationsmärkte werden liberalisiert. In Deutschland werden bereits Anfang der achtziger Jahre VEBA und VIAG privatisiert, die heute fusioniert sind und als Eon zu den großen Energieversorgern gehören. 1989 wird die Bundespost in die Bereiche Postdienst, Postbank und Telekommunikation aufgeteilt, 1995 werden sie in Aktiengesellschaften umgewandelt und in Folge an die Börse gebracht. Diese Tendenz zieht sich bis in die Gemeinden hinein, wo Ver- und Entsorgungsbetriebe und große Teile des Wohnungsbestandes, der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurde, in private Hände übergingen. So verkaufte das Land Nordrhein Westfalen 93000 Wohnungen an den amerikanishcen Fond Whitehall, Dresden übertrug im Jahr 2006 47600 Wohnungen an das amerikanische Unternehmen Fortress. Nicht alle Privatisierungen waren so erfolgreich wie die der Telekom. Heute zahlt jeder Telefonkunde nur noch etwa ein Zehntel des alten Postpreises. So wurde die Bundesdruckerei zwischenzeitlich wieder verstaatlicht.

Gerhard Schröder als Genosse der Wirtschaft
Im Rahmen der rot-grünen Steuerreform werden Privatleute und Unternehmen entlastet. Der für die heutige Situation bedeutendste Baustein der Reform ist, dass Kapitalgesellschaften, die Anteile an anderen Kapitalgesellschaften halten, keine Steuern auf Gewinne zahlen müssen, die aus diesen Verkäufen entstehen. So wird einerseits Geld in die Wirtschaft gepumpt und andererseits werden die gegenseitigen Verflechtungen der deutschen Firmen über ihre wechselseitige Vernetzung von Vorständen und Aufsichtsräten aufgebrochen erden können. Das Ende der schwerfällig gewordenen Deutschland AG wird eingeleitet. Der klassische, produktorientierte Manager wird zum Auslaufmodell. Im internationalen Trend liegt das Shareholder Value. Hierbei geht es darum, den Wert der Aktien möglicht schnell zu steigern. Dies liegt zum einen im Interesse von Fondgesellschaften, die mit hohen Renditeversprechen werben und zum anderen im Interesse der Manager selber, die einen großen Teil ihres Gehaltes in Aktien erhalten. Bedauerlicherweise ist der kurzfristige Gewinn über Steigerung der Aktienkurse nicht immer mit langfristig Unternehmenszielen vereinbar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert