Die Ratsversammlung am Mittwoch stand ganz im Zeichen der Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Stadtwerke.
Anlaß der hitzigen Debatte war ein Antrag der SPD Fraktion zum betreffenden Thema aus der Ratsversammlung im Dezember, der auf die gestrige Ratsversammlung geschoben wurde. Diesem Antrag setzte eine Gruppe aus fünf Ratsangehörigen von CDU, FWG, Bündnis 90/die Grünen und FDP einen eigenen Antrag entgegen.
Während die Fünfergruppe betonte, sie würden mit ihrem Antrag lediglich den Antrag der SPD konkretisieren, betonten Bernd Möller (SPD) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Pfau, daß der Antrag der Fünfergruppe den ursprünglichen Antrag der SPD in sein Gegenteil verkehren würde. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Fraktion führte aus, daß in diesem Zusammenhang auch der Antrag zu sehen sei, Beteiligungen an der SH-Netz-AG zu erwerben, der am 13. Februar im Hauptausschuß beraten werden soll.
Dieser Auslegung des Antrages schließe ich mich an. Grundsätzlich hört sich der Antrag konstruktiv an, er ist aber aus meiner Sicht inhaltlich ein weiterer Schritt, die Entscheidung für die Vergabe des Netzbetriebes für Strom und Gas an die Stadtwerke GmbH zu revidieren. Vor diesem Hintergrund habe ich den Antrag in meinem Redebeitrag auch als Trojaner und fast schon perfide bezeichnet. Mit meinem Redebeitrag verband ich den Antrag, die Abstimmung zu schieben und die Ergebnisse eines Workshops abzuwarten, auf dem Sachstand und Details zu wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten der Stadtwerke für Mitglieder der Ratsversammlung erläutert werden sollen. Aus meiner Sicht bestand kein zwingender Grund, gestern eine Entscheidung herbeizuführen. Damit wäre auch Schärfe aus der laufenden Diskussion genommen worden.
Nach wie vor besteht für mich die Frage, ob die Stadtwerke die Netze mit Gewinn betreiben können. Nach meinem Kenntnisstand kann der Betrieb von Netzen durchaus profitabel sein. Der Rechnungshof steht der Rekommunalisierung skeptisch gegenüber und gibt die grundsätzliche – und im Fünfer-Antrag zitierte – Empfehlung, wegen der wirtschaftlichen Risiken auf die Rekommunalisierung der Netze zu verzichten. Allerdings wird im Bericht des Rechnungshofes weiter ausgeführt, daß der Einzelfall zu betrachten sei. Vor diesem Hintergrund hätte ich gerne einmal einen Business-Plan gesehen, bevor ich eine Entscheidung treffe.
Der von Bernd Möller und mir gestellte Antrag auf Vertagung wurde abgelehnt, der Antrag der Fünfergruppe wurde in namentlicher Abstimmung mit 11 Stimmen angenommen.
Da Ratsherr Möller schwere formale Mängel des Antrages erkennt, verließen er und zwei weitere Mitglieder der SPD Fraktion den Raum, um nicht über einen Antrag abstimmen zu müssen, der nach ihrer Auffassung die formalen Anforderunen an einen Antrag nicht erfüllt. Er kündigte an, den Antrag von der Kommunalaufsicht prüfen lassen zu wollen.
Tatsächlich ist der Antrag auch nach meiner Auffassung nicht besonders gut gelungen, da der interlektuelle Dreisprung „Darstellen, Bewerten, Folgern“ nicht durchgehalten wurde. Herr Hagen (CDU) bestätigte mir auf Nachfrage, daß der gesamte Text als Beschlußvorschlag zu verstehen ist. Dennoch habe ich mit abgegestimmt, und zwar mit „Nein“.
Der Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Auffassungen liegt m.E. Jahre zurück. 2013 hat die Ratsversammlung mit denkbar knapper Mehrheit entschieden, die Rekommunalisierung von Strom und Wasser auf den Weg zu bringen und die Konzessionen an die Stadtwerke zu vergeben. Dieser Entscheidung ging eine öffentliche Ausschreibung voraus. Die Verwaltung legte seinerzeit Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Selbstverwaltung ein. Folge war ein interner Rechtsstreit, der die Stadt mehr als 100.000,– Euro gekostet hat. Letztendlich wurde die Entscheidung der Ratsversammlung weiterverfolgt. Im weiteren Verlauf legte die SH-Netz-AG Rechtsmittel gegen das Ergebnis der Ausschreibung ein. Bis heute wurden die Netze nicht an die Stadtwerke übertragen. Die derzeitige Entscheidungslage im Hauptausschuß sieht vor, die Ausschreibung zu wiederholen.
Ich hoffe sehr, daß der neue Bürgermeister nach seinem Amtsantritt mit allen Fraktionen sowie der FDP und mir zu einem weitgehend einvernehmlichen Entschluß über das weitere Vorgehen kommt. Ziel muß es sein, die langfristig wirtschaftlich sinnvollste Lösung für die Stadt zu finden.
Die vorliegende Fragestellung beschäftigt viele Kommunen in ähnlicher Weise.
Nicht selten stellt eine Rekommunalisierung den Versuch dar, ungünstige Entwicklungen zu korrigieren: Die Kostenkalkulation privater Betreiber ist intransparent, die Personalpolitik konfliktbehaftet.
In der Folge wünschen sich die Kommunen die Kontrolle zurück, die sie einst aufgegeben haben. Neben den kommunalen Dienstleistungen sind es vor allem die Krankenhäuser, die Anlass zu solchen Überlegungen geben.
Das Problem im Hintergrund ist aber nicht die Unfähigkeit der Kommunalverwaltungen zu einem wirtschaftlichen Betrieb des Dienstleistungsektors, sondern der Umstand, dass die Politik sich allzu oft nicht auf die sorgfältige Aufsicht beschränkt, sondern aus politischen Gründen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen nimmt. Das aber ist nur selten legitim und obsolet, wenn es der parteipolitischen Profilierung dient.