Markenbildung und Geschichtsbewußtsein

Ich habe heute am Leitbild- und Markenbildungsprozess teilgenommen. Wenn es um derart „weiche“ Themen geht, bin ich immer etwas skeptisch. Dennoch – oder gerade deshalb – habe ich die Unterlagen im Vorfeld sorgfältig gelesen. Dabei sind mir zwei Punkte besonders aufgefallen:

1. Auf die Frage: Wie sehr lieben Sie/liebst Du die Stadt Plön? antworteten 64,4 %, also zwei Drittel der Befragten, mit” über alles” oder “sehr”.
Nur 7,4% der Befragten gaben an: “weniger” oder “gar nicht”.

2. In Jahr 2000 waren 29,4% der Bevölkerung über 50 Jahre alt, 2022 waren es bereits 53,7%
Im Jahr 2000 waren 50,7% der Bevölkerung zwischen 25 und 50 Jahren alt, 2022 waren es gerade einmal 25,4%.
Die Einwohner*innen unter 25 halten sich bei um und bei 20%.
Die Bevölkerungszahl im Kreis Plön wird nach aktueller Prognose bis 2030 um 5,7% sinken.
Für Plön stagnieren die Zahlen seit 2018 mehr oder weniger bei 8940 Einwohner*innen.

Was leite ich für mich daraus ab:
1. Die meisten Plöner*innen fühlen sich in Plön wohl und leben gerne hier. Daraus folgt für mich, dass radikale Änderungen und Große Projekte, die geeignet sind, den Charakter der Stadt nachhaltig zu verändern, sehr kritisch betrachtet werden müssen. Vielmehr muss es darum gehen, die Grenzen des Wachstums zu akzeptieren. Statt auf Quantität muß man auf qualitative Verbesserungen setzen und damit den Ort vorsichtig weiter entwickeln. Die Rahmenbedingungen zum “Wohlfühlen” müssen für uns Plöner*innen erhalten bleiben.
2. Der demographische Wandel ist in vollem Gange. Er wird auch an Plön nicht vorbei gehen. Vielleicht betrifft er Plön aufgrund der attraktiven Lage nicht so stark wie andere Städte und Gemeinden des Kreises, die nicht im Kieler Speckgürtel liegen.
Da wir es nicht in der Hand haben, den landesweiten Trend umzudrehen, stellt sich die Frage, wie man auf die zunehmende Alterung bei stagnierenden Bevölkerungszahlen reagieren sollte. Im Moment habe ich da keine wirklich durchdachte Antwort parat. Derzeit, und vor allem auch in naher Zukunft, werden aufgrund des Alters der Bewohner*innen viele Einfamilienhäuser die Eigentümer*innen wechseln. Wie kann es gelingen, das hier junge Familien (25 bis 30) zum Zuge kommen und nicht gut betuchte „junggebliebene Alte“, die hier ihren Ruhestand genießen wollen? Kann man eine aktive Innenraumverdichtung betreiben, bei der Flächen von Einfamilienhäusern zusammengelegt und die vorhandenen Gebäude durch bedarfsgerechte Neubauten ersetzt werden?

In der Veranstaltung in der Tourist Info im Bahnhof wurden dann weiter am Leitbild- und Markenbildungsprozess gearbeitet.
Dazu wurden drei Kategorien genannt: “Plön als Lebensort”, “Plön als Wirtschaftsort” und “Plön als Erholungsort”. Diesen drei Kategorien wurden neun Attribute zugeordnet: 1. “See und Wasser”, 2. “aufgeschlossen und interessiert”, 3. “entschleunigend”, 4. “geschichtsbewußt”, 5. “verbindend”, 6. “lebenswert”, 7. “liebenswert”, 8. “prägend” und 9. “naturschön”.
Die ca. 40 Teilnehmer*innen wurden in drei Gruppen geteilt uns sollten dann erarbeiten, wie die Eigenschaften der unterschiedlichen Kategorien „Ort“ anhand der vorgegebenen Attribute beschrieben werden können. Das ist nicht einfach, weil es vielfache Überschneidungen gibt.

Dabei kam nach meiner Ansicht wenig neues heraus, aber manches zu Tage, was zumindest bei mir in Vergessenheit geraten war. Besonders interessant fand ich auch den Hinweis, dass es bei der Attraktivität der Innenstadt ganz entscheidend auf den Mix unterschiedlicher Einzelhandelsangebote ankommt. Darüber hinaus sollen die Pachten für Gewerberäume in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sein. Der Wirtschaftsförderer der Stadt gibt sich viel Mühe, neue Betriebe in leerstehende Gewerbeflächen zu bekommen. Einfach ist das offenbar nicht.

Jetzt wird es daraus ankommen, aus den ganzen Ergebnissen einen Markenkern herauszuarbeiten, der so abstrakt ist, dass er Plön charakterisiert und von der breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Besonders vorsichtig bin ich immer beim Begriff „geschichtsbewußt“, zumal die Erziehung der Söhne des letzten deutschen Kaisers in Plön im Markenbildungsprozess als „Alleinstellungsmerkmal“ genannt wurden. Ich habe mich in der Sitzung eindeutig dagegen ausgesprochen, die Prinzen hier als Alleinstellungsmerkmal herauszustellen.
Nach meiner Auffassung geht man in Plön sehr beschönigend mit dem „Geschichtsbewußtsein“ um.
Der Blick auf die Rolle von Königin Auguste-Viktoria wird in Plön gerne auf die fürsorgende Mutter verengt, die nach Plön kam, um ihren Kindern, den Prinzen, näher zu sein. Ihre politische Rolle im Kaiserreich und der Einfluß auf ihren Mann muß allerdings kritisch hinterfragt werden und ist davon nicht zu trennen.
Gleiches gilt für die Rolle der Prinzen selber. Auf den ersten Blick verbindet man mit Prinzen kleine Jungs mit Krönchen wie aus dem Märchenbuch. Das mag für die frühe Jugend vielleicht noch im Ansatz gelten, ist aber von der späteren Rolle der Prinzen nicht zu trennen. Sie haben sich in unterschiedlicher Form mit der NSDAP und Adolf Hitler eingelassen. Im Rahmen des Versuches des Hauses Hohenzollern, Kulturgüter von Land Brandenburg zurückzufordern, wurde die Rolle der Prinzen im Zusammenhang mit dem Erstarken des Nationalsizialismus von vier Geschichtswissenschaftlern hinreichend untersucht. In einem lesenswerten Artikel setzt sich die Süddeutschen Zeitung in der Ausgabe vom 10. Dezember 2021 unter der Überschrift: „Zur Hohenzollern-Debatte     Wie die Adelsfamilie Historiker und Medien unter Druck setzt“ mit den Inhalten der geschichtswissenschaftlichen Gutachten und dem Umgang damit auseinander.
Wenn man sich allerdings die Ausstellung im Prinzenhaus ansieht, dann läßt auch die eine kritische Auseinandersetzung mit dem damaligen Erziehungssystem und dem Lebensweg der Prinzen vermissen. Man beschränkt sich in der durchaus gut gemachten Ausstellung aber im wesentlichen auf die Darstellung einer heilen Schülerwelt.







Ein Gedanke zu „Markenbildung und Geschichtsbewußtsein

  1. Als Butenplöner aus dem nahen Bordesholm mit fast 8000 Einwohnern und fast den gleichen Problemen: gute Analyse, interessanter Report. Alleinstellungsmerkmal Prinzen: natürlich ist die Versuchung möglich, undifferenziert Verniedlichungs- oder Verherrlichungsbotschaften auszusenden. Auch da finde ich die Mahnung richtig.
    Plön muss am Bevölkerungsmix „arbeiten“ und Natur bewahren.
    Alles Gute meiner „Schulstadt“!
    Andreas Fleck

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