Gänsemarktviertel, heute die große Verarsche?

Vorweg möchte ich klarstellen, daß ich ein Befürworter des Bebauunngsplanes 7c, Geänsemarktviertel/Gerberhof bin. Aber was heute im Ausschuß für Stadtentwicklung und Umwelt gelaufen ist, ist nach meiner Einschätzung, vorsichtig ausgedrückt, eine Rotzigkeit, die sich so hoffentlich nie wiederholen wird.

Die Mitglieder des Ausschusses, der Verwaltung und aus dem Umfeld des Investors haben in den letzten Monaten hart darum gerungen, wie das Gebiet im allgemeinen und das Gebäude Lübecker Straße 9 (Der alte Gerberhof) im besonderen zu gestalten sind, damit der altstädtische Charakter der Innenstadt bewahrt bleibt. Nach den ursprünglichen Lösungsansätzen „Blockbebauung“ oder „stadtvillenähnliche Bebauung“ hat der Ausschuß dann dem von der Verwaltung und dem Architekten des Investors gemeinsam erarbeiteten Lösungsansatz „Historischer Straßenzug“ zugestimmt. Dieser Lösungsansatz griff gestalterischen Merkmale der Bebauung im Bereich Gänsemarkt/Rodomstorstraße auf. Vor allem bestand im Ausschuß auch Einigkeit darüber, daß die Fassade des Gebäudes Lübecker Straße 9 so gestaltet werden soll, dass sie sich in das Ensemble der übrigen historischen Gebäude in der Lübecker Straße einfügt (nach Möglichkeit roter Backstein, Lochfassade, stehende Fensterformate).
Statt dessen lese ich in den Unterlagen zur ersten Änderung des Bebauungsplanes folgendes: „Der neue Baukörper nimmt die vorhandene Gebäudestellung des historischen Baukörpers nahezu vollständig auf und entwickelt diese in architektonisch moderner Formsprache weiter.“
Auf deutsch: Das Gebäude wird größer (womit ich kein Problem habe) und kann eine beliebige, gerne auch moderne Fassade erhalten.
Von einer Anlehnung an die Gestaltung der Neubauten an die vorhandene Bebauung im benachbarten Bereich Gänsemarkt ist in den Unterlagen auch nichts mehr zu lesen.

Es gibt wohl keine andere Stadt in Deutschland, die im Begriff ist, derart schluderig und verantwortungslos mit ihrem Erscheinungsbild umzugehen.

Hinzu kommt, daß ich die Unterlagen, wie andere Kollerinnen und Kollegen auch, erst heute morgen im Briefkasten fand, obwohl sie bereits am Freitag in die Post gegeben wurden. Für die Berufstätigen unter uns ist es schlichtweg unmöglich, sich unter diesen Bedingungen auf eine Sitzung vorzubereiten, von einer Beratung des Themas in den Fraktionen einmal ganz abgesehen.

Es ist eine durchaus pfiffige und gängige Verwaltungstaktik, Zeitdruck zu erzeugen und dann den Entscheidungsträgern Papiere zur Genehmigung vorzulegen, die Inhalte umfassen, die man gerne hätte, für die man bei sorgfältiger Prüfung aber keine Zustimmung bekäme. Leider entstand der Eindruck, daß hier genau so vorgegangen wurde. Und so wie ich es wahrgenommen habe, hatten auch andere Kolleginnen und Kollegen dieses Gefühl.
Auf meine rethorische Frage, ob man verstehen könne, wenn ich mich jetzt verarscht fühle, antwortete ein Mitarbeiter der Verwaltung, selber für die CDU Ratsherr im Kieler Rathaus, mit einem klaren „Nein“. Diese Antwort wirft schon die Frage auf, mit welchem Selbstverständnis er sein politisches Mandat in der Landeshauptstadt wahrnimmt.

Zum Glück wurde heute nur die Entscheidung getroffen, über die Auslegung der ersten Änderung des B-Planes 7c in einer Sondersitzung am 2. März 2016 zu beraten.

Liebe Leserinnen und Leser, noch ist Zeit, an ihre gewählten Vertreter (Ratsherren und Ratsfrauen) heranzutreten und sich für die Pflege und Weiterentwicklung des historischen Charakters unseres Stadtbildes einzusetzen. Macht / machen Sie Druck, bevor das Kind in den Brunnen fällt. Viel Zeit blibt nicht.

Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit dem B-Plan 7c waren die drei ortsbildprägenden Buchen. Ein erst gestern vormittag per EMail übermitteltes Gutachten sagt aus, daß die die Wurzeln mit einem Pilz befallen sind und im Kronenbereich Bruchgefahr besteht. Daher lautet die Empfehlung, die Bäume zu fällen. Herr Dr. Erdtmann (FWG) stellte die Aussage des Gutachtens an sich in Frage und vermutete, daß das Aussagen interessengesteuert ist. Diese Vermutung ist grundsätzlich erst einmal nicht von der Hand zu weisen, denn über die Entstehung von Gutachten und die Wandelbarkeit ihrer Ergebnisse nach politischer Einfußnahme habe ich mir in meinem Blog bereits die Finger wund geschrieben. In diesem Fall wird die Sache aber vermutlich anders liegen, die Verwaltung und mehrere Kolleginnen und Kollegen nahmen den Gutachter in Schutz.
Der Umweltschutzbeauftragte gab seiner Verärgerung Ausdruck. Die Bäume unterliegen der Baumschutzsatzung. Bei der Bearbeitung des Antrag, sie zu fällen, hätte er beteiligt werden müssen. Das sei bisher aber nicht geschehen. Der Umstand, daß die 1. Ändrung des B-Planes 7c für den  Bereich, in dem die Buchen noch stehen, bereits jetzt Gebäuden vorsieht, erweckt den Eindruck, daß auch er vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollte.

Jeder weiß spätestens seit dem Zeitalter der Romatik um das besondere Verhältnis des Deutschen zu seinem Wald und zum Baum im besonderen. Vermutlich handelt es sich sogar um ein kollektivesVermächtnis, dessen Wurzeln bis in die Zeit der Germanen zurückreichen. Wie man so unsensibel mit dem Thema umgehen kann, verstehe ich nicht. Ob es sich vielleicht um einen fehlgeschlagenen Versuch, die Selbstverwaltung zu übertölpeln, vielleicht um fehlende Professionalität oder nur um möglicherweise fehlende Sensibilität im Umgang mit dem Thema handelt, will ich gar nicht beurteilen.

2 Gedanken zu „Gänsemarktviertel, heute die große Verarsche?

  1. Ich lach mich tot. Urplötzlich müssen Bäume weg, die schon seit 100 Jahren am Schwanensee stehen und an den alten Gänsemarkt sollen Neubauklötze. Der Bauauschuss wird vom Bauamt unter Druck gesetzt und der Investor lässt sich als Retter der Innenstadt feiern. Der Bürgermeister weiß vermutlich von nichts und die Stadtvertretung kümmert sich nicht darum. Schämt Euch.

  2. Ist es typisch “Plön” oder in unserem Staat mittlerweile an der Tagesordnung?Alle sind gleich aber einige sind gleicher!Eigentlich brauchen wir keine Bürger mehr….

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