Die Baumschutzsatzung, Für und Wider einer politische Beteiligung.

Gestern tagte der Ausschuß für Stadtentwicklung und Planung (SteP). Ich habe bereits am 15. Mai einen Ausblick auf die Sitzung gegeben.
http://www.ingo-buth.de/2021/05/15/seehof-bahnhofstrasse-und-baumschutzsatzung-drei-themen-von-bedeutung-mittwoch-im-ausschuss/

In Sachen Baumschutzsatzung geht es voran. Die Satzung wurde vom Ausschuß für Gesellschaftliche Anlagen, Umwelt und Tourismus (GUT) erst einmal an den SteP zur Vorberatung überwiesen.
Hier ging es um zwei Themen:
1. Soll es für die Selbstverwaltung möglich gemacht werden, die Entscheidung im Ausnahmefall an sich zu ziehen?
2. Sollen Obstbäume mit unter die Satzung fallen?

Für die Mehrheit des SteP (8 Ja, 3 Nein-Stimmen) war es klar, daß die Politik zukünftig die Möglichkeit haben soll, im Ausnahmefall die Entscheidung über Baumfällungen an sich zu ziehen.

Der von der Verwaltung vorgelegte Entwurf sah diese Möglichkeit ausdrücklich nicht vor.
Der Bürgermeister verteidigte den Entwurf damit, daß ein solches Verfahren nicht üblich sei und das z.B. auch in der Hundesteuersatzung nicht vorgesehen sei. Er würde auch kein Landes- oder Bundesgesetz kennen, daß einen einen entsprechenden politischen Entscheidungsvorbehalt vorsieht. Sein Fazit: Die Politik (hier die Selbstverwaltung mit der Ratsversammlung und ihren Ausschüssen) gibt die Leitlinie vor, die Verwaltung setzt diese um.
Nun hat sich bei dem Gezerre um die 6 Birken in der Ulmenstraße 42 gezeigt, daß ein Beschluß des SteP, nämlich das geplante Wohnhaus entsprechend der vorgelegten Pläne aus städtebaulicher Sicht optimal aufzustellen, nicht umgesetzt wurde.
Zwar hat die Verwaltung der Stadt das gemeindliche Einvernehmen, daß der SteP den Planungen erteilt hat, pflichtgemäß an die Kreisverwaltung weitergegeben. Allerdings wurde diese Entscheidung durch eine Stellungnahme der Stadtverwaltung ausgehebelt. Die städtische Stellungnahme basierte auf der Baumschutzsatzung.
(Mehr in Anmerkung 1)

Auf meine Nachfrage hin vertritt die Kommunalaufsicht des Kreises die Auffassung, daß die Verwaltung auf Basis der bestehenden Satzung alleine für die Entscheidung zuständig ist.
Um eine politische Entscheidung zu ermöglichen muß die Satzung daher entsprechend angepaßt werden. Der SteP hat die Verwaltung gebeten, einen dementsprechend geänderten Entwurf zu erarbeiten, der dann in der nächsten Sitzung des GUT beraten werden kann. Dazu sah sich der Bürgermeister nicht im Stande, er wisse nicht, was er tun solle.
Daraufhin formulierte der SteP einen Beschluß, der vorsieht, den Paragraphen 6 Absatz (1) zu ergänzen. Bisher sieht er folgende unter anderem folgende Ausnahmen und Befreiungen vor:

4. bei einem Bauvorhaben, auf das bauplanungsrecht- lich ein Rechtsanspruch besteht, im Bereich des Bau- körpers und den nach der Landesbauordnung in der jeweils geltenden Fassung erforderlichen Abstandsflächen geschützte Bäume vorhanden sind und der geschützte Baum auch bei einer zumutbaren Veränderung oder Verschiebung des Baukörpers nicht erhalten werden können.

5. die Beseitigung der geschützten Bäume aus über- wiegendem öffentlichen Interesse dringend erforderlich ist.

Nach Auffassung des SteP ist ein 6. Punkt hinzuzufügen, der vorsieht, daß die Ratsversammlung auf Antrag eines Ausschusses die Entscheidung zu den Punkten 4 und 5 an sich ziehen kann.

Dieser Antrag wurde mit 8 von 11 Stimmen angenommen. Jetzt wird sich der GUT in seiner nächsten Sitzung am 3. Juni damit befassen müssen.

Ich habe in der Sitzung noch erwähnt, daß es jetzt zu zwei Szenarien kommen kann.
Entweder der GUT schließt sich der Auffassung des SteP an
oder er beschließt, daß diese Änderung wieder aus dem Satzungsentwurf herausgenommen werden soll.
In dem Fall käme es dann eine kontroverse Diskussion bzw. Abstimmung in der Ratsversammlung.
Mein Kollege Gerd Weber (Bündnis 90/Die Grünen) riet mir dann, mich mit Weissagungen zurück zu halten.

Ich wage nun mal den Blick in die Glaskugel: Für das Szenario 2 zwei besteht die Gefahr, daß die Tagesordnung der Ratsversammlung wieder einmal so formuliert wird, daß ein Beschluß über eine politische Beteiligung nicht möglich ist und für eine Änderung der Tagesordnung keine Zwei/Drittel Mehrheit zustande kommt.
Das hätte dann allerdings weniger mit dem Blick in die Glaskugel zu tun, sondern mit einem Déjà-vu.

Das zweite Thema war die Frage, ob Obstbäume mit unter den Schutz der Baumschutzsatzung fallen sollten.
Anfangs war ich von der Idee sehr angetan. Aber auch hier gibt es Aspekte, die dagegensprechen und sachlich erörtert werden sollten, auch wenn das erst einmal emotional eher verstörend sein könnte. Wir wollen der Umwelt und den Bäumen ja Gutes tun, und das meine ich nicht ironisch.

Ein erstes Indiz dafür, daß der Schutz von Obstbäumen möglicherweise nicht sinnvoll sein kann, ist der Umstand, daß er in der Mustersatzung des Städteverbandes nicht vorgesehen ist.

Die Unterschutzstellung von Obstbäumen weitet den Aufgabenumfang der Verwaltung aus.
Kommen mehr Aufgaben hinzu, werden schnell Forderungen nach zusätzlichem Personal laut.
Das hat der Bürgermeister im Hinblick auf die Forderung nach Personalabbau immer wieder betont. Daher müssen wir zusehen, daß es nicht zu einem zusätzlichen Personalaufwuchs kommt.
Personal kostet nun einmal Geld, das wir nicht im Überfluss haben.

Wenn wir eine Satzung beschließen, dann muß man in der Lage sein, die Satzung auch durchzusetzen. Dazu gehört, ihre Einhaltung zu kontrollieren. Ob das überhaupt praktikabel ist, muß erörtert werden.
Neben den Genehmigungsverfahren müssen auch Bußgeld- und Widerspruchsverfahren bearbeitet werden, möglicherweise zusätzlich noch nachfolgende Gerichtsverfahren.
Das ginge Hand in Hand mit der Aufgabenausweitung.

Es muß auch gefragt werden, ob die Zielsetzung stimmt. Häufig werden Obstbäume wegen ihres Obstes gepflanzt. Tragen sie nicht mehr, müßten sie in dem Fall ersetzt werden. Stehen sie unter Schutz, dann besteht die Gefahr, daß sie gefällt werden, bevor sie den Umfang von 80 cm erreichen. Dazu kommt, daß man sich in dem Fall auch die Gebühr sparen würde, die für eine Genehmigung eingeführt werden soll. 
Ich selber habe ein 30 Jahre altes Exemplar im Garten, das im vergangenen Jahr gerade mal zwei Äpfel getragen hat und im diesem Jahr lediglich 10 Blüten aufweist. Der Stammumfang geht hart auf den Grenzwert von 80 cm zu. Aus gärtnerischer Sicht wäre der Baum jetzt eigentlich ein Fall für die Kettensäge und den Ersatz durch einen neuen Apfelbaum.
Keine Sorge, ich werde mich jetzt trotz der angekündigten neuen Satzung nicht dazu hinreißen lassen, schnell noch zur Säge zu greifen. Der Baum ist mir ans Herz gewachsen.

Ausschließen würde ich in diesem Fall allerdings, daß die Umweltfachkraft durch die Aufgabenausweitung mit „Kleinkram“ beschäftigt werden soll, um sie von der Wahrnehmung wesentlicher Aufgaben abzuhalten. Das ist ein „Werkzeug“, das eher auf höheren Verwaltungsebenen zum Einsatz kommt.

(Anmerkung 1): Herausgekommen ist ein fauler Kompromiss. Eine Birke ist bereits gefällt, die übrigen werden eine verkürzte Restlebenszeit haben, da die Bebauung dicht an sie heranrücken wird. Dafür stehen die Gebäude nicht mehr in einer Fluch. Das wird im Straßenbild für die nächsten 50 bis 90 Jahre unästhetisch wirken. Die Nebenanlagen werden so erstellt, daß eine optimale Wegeführung – auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit – nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen bilden sich dann meist Trampelpfade, die sich als Wege verfestigen und, damit sie bei Regen nicht so matschig sind, dann provisorisch mit Betonplatten ausgelegt werden. Das Ergebnis planerischen Murkses.

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