Welche Art von Begegnung braucht unsere Demokratie? 

Am 29. September fanden die „Landgesprächen“ – mit den Aktiv Regionen im Gespräch im Hohen Arsenal in Rendsburg statt. Ich wollte mich mal wieder mit den Programmen der Aktiv-Regionen und deren Fördermöglichkeiten auf Stand bringen. 

Der Impulsvortrag wurde durch den Soziologen und Autor Reinald Manthe gehalten. Der Vortrag war hoch interessant und ich habe mir – wie meistens – ein paar Notizen gemacht. Aus diesen Notizen versuche ich im Nachfolgenden eine Zusammenfassung der Inhalte in meinen eigenen Worten und stelle noch eine eigene Einschätzung als letzen Absatz ein.

Der Vortrag hatte den Titel: „Demokratie braucht Begegnungsorte im Alltag“. Als Beispiel für einen dieser Begegnungorte wurde der Elternabend genannt. Nach meinen Elternabend-Erfahrungen finde ich das nun ein sehr schlechtes Beispiel für gelebte Demokratie, aber um meine persönlichen Erlebnisse geht es nicht. 

Es ist sicher unbestritten, dass wir in turbulenten Zeiten leben. Herr Manthe leitet damit ein, dass die Demokratie derzeit in einer Krise steckt, aber eben in einer Krise und nicht mehr.
Das Vertrauen in viele Institutionen ist ungebrochen. Dazu zählen die Gerichte oder der Bundespräsident. Diese Institutionen sind neutral und in der Regel für die meisten von uns weit weg. Ebenso gibt es ein hohes Vertrauen in Institutionen, an denen wir nahe dran sind. Dazu würde beispielsweise die Polizei, die Feuerwehr oder der Kindergarten gehören. Dazwischen sinken die Zustimmungswerte.
Die Zustimmung zur Demokratie als Regierungsform ist ebenfalls sehr hoch. Das gilt allerdings nicht für das Funktionieren der Demokratie. Die Zustimmungswerte dazu sinken. 

Damit stellt sich die Frage, was ist Vertrauen und wie wird es untereinander wahrgenommen. Die damit verbundenen Probleme werden an einem kleinen Beispiel erläutert. Nimmt man eine Gruppe, dann würden 80% von sich sagen, dass sie sich gesundheitsbewußt ernähren. Fragt man die gleiche Gruppe, ob sich die anderen Gruppenmitglieder gesundheitsbewußt ernähren, dann würden das aber nur 40 % mit Ja beantworten.
Ganz grob gesagt, das Vertrauen in das Gesundheitsbewußtsein der anderen Gruppenmitglieder ist nur eingeschränkt vorhanden.

Unsere Gesellschaft läßt sich nach Herrn Manthe in drei Gruppen einteilen.
Das erste Drittel sind die gesellschaftliche Stabilisierenden, die Involvierten (17%)  und die Etablierten (17%)
Die zweite Drittel sind die gesellschaftlichen Pole, die Offenen (16%) und die Wütenden (19%). Das dritte Drittel sind die Unsichtbaren. Die Pragmatischen (16% und die Enttäuschten (14%)
Die Frage ist also, wie es dazu kommen kann und wie man die Leute wieder in die Gruppe der gesellschaftlichen Stabilisierer zurück bekommt:

Die Uraschen für den Vertrauensverlust in das Funktionieren der Demokratie sind sicher vielfältig und auch in der Globalen Entwicklung der letzten 40 Jahre zu sehen.
1990 war die Wendezeit für viele mit dem Ausblick auf neue Chancen, aber auch mit dem Zusammenbruch der bisherigen Lebensplanung verbunden. Danach entwickelte sich ein „neues Normal“.
2001 krempelte der islamistische Anschlag auf die Twin Towers in New York die weltweite geopolitische Lage um. Danach war ausreichend Zeit, bis sich die nächste krisenhafte Entwicklung anbahnte. es entwickelte sich ein neues Normal.
2008 erschütterte der Zusammenbruch der Investitionsbank Lehman Brothers die Finanzwelt. Folge: eine weltweite Wirtschaftskrise. Die Wirtschaft erholte sich langsam und es entwickelte sich ein neues Normal.
2015 löste der Krieg in Syrien eine massive Bewertung von Geflüchteten aus. Auch danach beruhigte sich die Situation und es begann, sich ein neues Normal zu entwickeln.
Die nächsten Krisen folgen dann in immer kürzeren Abständen aufeinander.
2019 die Klimakrise, die nach wie vor andauert.
2020 die Coronakrise, deren Folgen noch nicht bewältigt sind.
2022 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der noch andauert.
2025 die Wahl Trump’s zum US-amerikanischen Präsidenten, dessen Wahlperiode noch läuft und mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist.
In diesem Zusammenhang kann man auch den Begriff der Polykrise nutzen und feststellen, dass es im Moment nicht danach aussieht, dass sich so schnell ein neues Normal bildet. Die Folge ist eine erhebliche Verunsicherung, wie es weiter geht.

Parallel dazu ist auch die Entwicklung zu sehen, dass fast drei Viertel der Einwohner*innen der Ansicht ist, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. 

Begünstigt wird das durch eine zunehmende Individualisierung. Man trifft sich mit nur im Netz, sondern auch im realen Leben immer mehr mit Seinesgleichen in „einer Blase“.
Dazu kommt ein Abbau der öffentlichen Infrastruktur. So sind zum Beispiel zwischen 2002 und 2016 20% aller Schwimmbäder geschlossen worden.
Abschließend ist auch der Trend zur Entmischung der Wohngebiete zu nennen. Soziale Schichten wohnen immer mehr unter Ihresgleichen.
Unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen treffen sich weniger. Zufällige Treffen werden seltener. Damit gehen auch die Gelegenheit zu Irritationen und dem Nachdenken und Diskutieren darüber verloren. Die Orte, an denen sich die Leute unterschidlieer sozialer Gruppen treffen, werden immer weniger. Wo treffen unterschiedliche Gruppen noch aufeinander? Soweit ich die Tabelle richtig gelesen habe: Beim Einkaufen.
Damit die Menschen wieder mehr ins Gespräch miteinander kommen braucht man, so Herr Manthe, schöne, multifunktionale Orte.
Dies ist eine stadtplanerische Aufgabe. Wenn ich mir Plön angucke würde ich sagen, dass wir mit unseren Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt – LIDL, REWE, ROSSMANN, um nur die Betriebe mit hoher Käuferfrequenz zu nennen – sowie dem Angebot an Gaststätten und Geschäften ganz gut aufgestellt sind. Der Markt zieht Kunden aus Plön und dem Umland an. Die Bänke um die Bäume am Markt und in der Fußgängerzone werden gerade bei gutem Wetter gerne genutzt. Geht man etwas weiter, dann nimmt das Angebot an Begegnungsorten ab. Die Badestellen werden überwiegend nur im Sommer besucht. Die Spielplätze und der Hundeauslauf bieten ebenfalls die Möglichkeit zur Begegnung. Ebenso sollte man auch das Mehrgenerationenhaus und das Osterkarree als Begegnungsort erwähnen. Dazu kommen natürlich die Sportanlagen.
Eine Weiterentwicklung sollte immer im Blick behalten werden. Ausruhen darf man sich auf dem Bestand unserer örtlichen  Begegnungsorte nicht.

Über den Vortrag hinausgehend bin ich der Ansicht, dass der Vertrauensverlust in unser Gesellschaftssystem auch von außen befeuert wird. Die Russische Medien befinden sich in einem Psychologischen Krieg (ich gebrauche hier nicht den Ausdruck Informationskrieg, weil der im engeren Sinne etwas anderes beinhaltet) gegen den Zusammenhalt der westlichen Gesellschaften. Ziel des Psychologische Krieges ist es, den Zusammenhalt der eigenen Bevölkerung zu stäken und den Zusammenhalt in der Bevölkerung des potentiellen Gegners zu stören, um die politische Handlungsfähigkeit des betroffenen Staates zu beeinträchtigen. 
Der Personenkult um Präsident Putin dürfte dem ersteren zugerechnet werden.
Antiamerikanische, antieuropäische und antideutsche Verschwörungstheorien werden in die Welt gesetzt und nicht nur über die Sozialen Netzwerke verbreitet. Dazu kommen alternative Fakten und andere Formen der Desinformation. Trolle, die diese Informationen im Wissen darum, was sie tuen, verteilen und Nützliche Idioten, die diese Informationen ohne zu wissen, was sie tuen, weiter verbreiten sind die 5. Kolonne der Russischen Föderation.