Mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie gibt es eine in Plön wenig beachtete Forschungseinrichtung, die weit über Plön hinaus einen hervorragenden Ruf in der Wissenschaftswelt genießt.
Um die Forschungsanstalt und ihre Aktivitäten der einheimischen Öffentlichkeit näher zu bringen, wird über Winter eine Vortragsreihe veranstaltet. Der heutige Vortrag von Herrn Dr. Arne Nolte zum Thema „Hybride in der Natur – Sonderlinge oder Wunderkinder“ war mit ca. 70 Gästen gut besucht.
Weitere Vorträge folgen am 1. Dezember, 5. Januar 2015 und 2. Februar 2015, jeweils um 1900 im Hörsaal des MPI.
Hybrid steht in der Biologie für Kreuzung, Mischling oder Bastard. Was mir völlig unbekannt war ist, daß die Apfelsine ein Hybrid aus Pampelmuse und Mandarine ist.
Zu Beginn des Vortrages wurde die den meisten Zuhörerinnen und Zuhörern wahrscheinlich geläufigen Definition der Art als „Eine Gruppe Organismen, die sich von allen anderen Gruppen von Organismen unterscheiden und sich untereinander fortpflanzen und fruchtbaren Nachwuchs erzeugen können.“ relativiert. Unterschiedliche Arten wie Tiger und Löwe können sich paaren und bekommen zeugungsfähigen Nachwuchs. Wer es nicht glaubt, sollte einfach mal bei Google Bildersuche „Liger“ eingeben. (Ich hab es getan.)
Nicht so farbig wie die Apfelsine und weniger spektakulär wie der Liger ist die Groppe, ein kleiner auf dem Grund von Flüssen und Bächen lebender Fisch. In Europa gibt es zwei Arten von Groppen. Eine Art kommt in Großbritannien und im Flußsystem der Schelde vor, die andere Art im Flußsystem des Rheines. Beide Arten bevorzugen kleine Fließgewässer, Bäche mit Kies und steinigem Grund.
Vor ca. 200 Jahren wurden die Flußsysteme von Rhein und Schelde über zahlreiche Kanäle miteinander verbunden. Man nimmt an, daß die beiden Groppenarten über die neu geschaffenen künstlichen Wasserstraßen in Kontakt miteinander gekommen sind und sich gekreuzt haben. Der Nachwuchs wurde im Vortrag als „Invasive Groppe“ bezeichnet. Anfang der 80ger Jahre wurden erste Bestände der Invasiven Groppe im Rhein festgestellt. Anders als die beiden bis dahin bekannten Arten, die schnell fließende Bäche bevorzugten, siedelten die Invasiven Groppen in den langsam strömenden Flüssen und breiteten sich vom Rhein aus auch in den Nebenflüssen, etwa der Sieg oder der Mosel aus.
Die Befürchtung, daß die „Flußgroppen“ die „Bachgroppen“ verdrängen würden, bestätigte sich nicht. Untersuchungen des Erbgutes haben gezeigt, daß es lediglich im Mündungsbereich zu einer Vermischung des unterschiedlichen Erbgutes kommt, bereits nach kurzer Distanz vom Mündungsbereich gibt es deutlich erkennbare Unterschiede im Erbgut. Die Bachgroppe bleibt im Bach, die Flußgroppe bleibt im Fluß.
Die Aufzeichnung der Wassertemperaturen der Sieg und der Bröl, einem Nebenfluß der Sieg, hat gezeigt, daß die Wassertemperatur in den Nebenflüssen etwas niedriger liegt als im Fluß selber. Die Temperatur ist für wechselwarme Tiere wie Fische ein ganz entscheidender Faktor, so daß die Vermutung nahe liegt, daß genetischen Unterschiede und die Wassertemperatur in einer Wechselbeziehung stehen.
Weitere Forschungsergebnisse bleiben abzuwarten.
Interessant war auch zu erfahren, daß die Flußgroppe im Rhein durch mehrere Grundelarten verdrängt wird, die über den Rhein-Main-Donaukanal in das Flußsystem des Rheines einwandern. So sollen – zum Ärger der Sportfischer – bei Köln ca. 80% der Biomasse von Fisch bereits aus Grundeln bestehen. Soweit ich es verstanden habe, entwickelt sich der Bestand an Grundeln besonders gut im wärmeren Wasser, (Kühlwasseraustritte von Kernkraftwerken und Industriebetrieben), so daß die Flugroppen in den Nebenflüssen des Rheines wie etwa der Mosel oder Sieg weiterhin vorkommen.
Hybridisierung ist aber auch in unseren Gewässern nicht unüblich. Hybride zwischen Brassen und Rotaugen sollen häufiger vorkommen als gedacht. Den Namen „Leiter“ für diese Fische habe ich vorher auch noch nie gehört.
Um mit Paul Senkblei zu fragen: Was lernt uns das? Es gibt Dinge auf dieser Welt, die man bei Google noch nicht findet.
Safe the Date, die nächsten Vorträge:
1. Dez 14, Dr. Lutz Becks, Warum gibt es eigentlich Männer?
5. Jan 15, Dr. Tobias Lenz, Die fantastische Anpassungsfähigkeit unseres Immunsystems
2. Feb 15, Prof. Dr. Bernhard Haubold, Wie liest man das menschliche Genom?
Jeweils um 1900 im Hörsaal des MPI.