Kritische Stimmen zu Massenalgenanlage und zum Energetischen Quartierskonzept.

In der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Stadtentwicklung und Planung (SteP) sowie Gesellschaftliche Angelegenheiten, Umwelt und Tourismus (GUT) wurde heute (10. Februar) über einen Förderantrag in Höhe von 10 Millionen Euro für die Massenalgenkultur-Anlage auf dem Klärwerks in Plön beraten. Diese Forschungsanlage soll Herzstück für die Nahwärmeversorgung des Quartiers Plön Südwest werden. 
Ich halte die Massenalgenanlage für ein durchaus interessantes Forschungsprojekt, aber ich bin davon überzeugt, dass man ein Forschungsprojekt nicht zum Herzstück einer Heizungsanlage für ein ganzes Quartier machen sollte. 
Die in der Vorlage erstmals genannten Kosten für den Betrieb in Höhe von 887.700,00 Euro pro Jahr wurden gerade erst vor einer Woche bekannt. Das wirtschaftliche Risiko liegt zu 100% bei der Stadt. Ob diese Kosten durch den Verkauf von Wärme jemals gedeckt werden können, ist im Moment noch ungeklärt. Ein Ergebnis ist erst im Laufe des jetzt angestoßenen Verfahrens zu erwarten.
Auch die damit verbundene Einleitung von heruntergekühltem Abwasser in die Tiefenzonen des Kleinen Plöner Sees sehe ich sehr kritisch. Hierzu gibt es sehr unterschiedliche, wissenschaftlich fundierte Aussagen. 
Obwohl ich noch vor zwei Tagen für den Antrag stimmen wollte, sehe ich jetzt – nachdem ich mich weiter mit dem Projekt auseinandergesetzt habe – mehr Risiken als Chancen . Daher, und auch, weil ich schon immer gegen eine Bebauung der Seewiesen mit was auch immer war, habe ich mich schweren Herzens doch dazu entschieden, gegen das Projekt zu stimmen.
Auch die anfängliche Begeisterung bei einigen Kolleg*innen scheint verflogen.
Es fielen durchaus sehr kritische Anmerkungen. 
Der GUT stimmte Einstimmig für den Antrag, der um die Einrichtung eines professionellen, externen, zertifizierten Risikomanagements erweitert wurde. 
Das deckt sich mit dem Antrag, den ich für den kommenden Montag im Hauptausschuß gestellt habe. 
Der SteP stimmte mit 8 Ja- und 2 Neinstimmen sowie einer Enthaltung dafür.

Nachfolgend mein Redebeitrag:

“Meine Damen und Herren,

heute soll über einen Förderantrag in Höhe von
10 Mio. Euro abgestimmt werden.
Ich habe starke Zweifel, dass diese Entscheidung in die Zuständigkeit eines der beiden Ausschüsse fällt, die hier heute tagen.

Diese Mittel waren weder im Haushalt für das Jahr 2021 aufgenommen, noch sind sie im Nachtragshaushalt 2021 berücksichtigt.
Das ist der derzeit gültige Haushalt, weil wir noch keinen beschlossenen Haushalt für das Jahr 2022 haben.
Da wir außerhalb des gültigen Haushaltes entscheiden, sehe ich die Zuständigkeit des Hauptausschusses als gegeben an.

Mit der heutigen Entscheidung erfolgt auch eine Weichenstellung für die Stadtwerke.
Die Zuständigkeit für Fragen der Stadtwerke fällt ganz eindeutig in den Zuständigkeitsbereich des Hauptausschusses.

Daher habe ich starke Zweifel, dass dieser Beschluss, der heute wohl getroffen wird, überhaupt rechtmäßig zustande kommt. Soviel vorweg.

Die Vorlage, über die wir heute beraten, ist vor gerade einmal einer Woche veröffentlicht worden.
In ihr werden erstmals konkrete Zahlen genannt.
Der jährliche Fehlbedarf wird auf 887,700,- Euro beziffert.
Dieser Fehlbedarf soll durch die Vermarktung von Wärme erwirtschaftet werden.

Aufgrund der heute vorliegenden Informationen habe ich starke Zweifel, ob das im Ansatz realistisch ist, zumal die Kosten für die Verlegung des Nahwärmenetzes im Quartier ja noch mit keinem Cent in die Betrachtungen mit eingeflossen sind. 

Die geplante Massenalgenkultur-Anlage ist auch aus meiner Sicht spannendes Forschungsprojekt, das auf dem Gelände unserer Kläranlage verwirklicht werden sollte. Allerdings ist der Weg von einer Forschungsanlage zu einem alltagstauglichen Produkt mit erhebliche Risiken behaftet, die man nicht unterschätzen darf.
Niemand, weder die CAU noch der Fördergeber, wird uns eine Garantie auf diese Anlage geben oder das finanzielle Risiko für den Betrieb übernehmen.
Eine Garantie über die dauerhafte Leistungsfähigkeit und auf die technische Belastbarkeit der Anlage wird es noch nicht einmal mal für die ersten beiden Jahre geben.
Geschweige denn über die gesamte Nutzungszeit.

Eine Forschungsanlage zum Herzstück einer Nahwärmeanlage zu machen, ist daher ein sehr hohes Risiko. Das finanzielle Risiko trägt am Ende die Stadt Plön.

Die Stadt Plön ist eine Fehlbedarfsgemeinde. Die Kommunalaufsicht bestätigt uns jährlich, dass unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist.
Ob wir unter diesen Umständen dieses Risiko tragen sollten, sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Ihrer Entscheidungsfindung heute mit berücksichtigen.

Da die Massenalgenkultur-Anlage immer im Zusammenhang mit dem Quartierkonzept gesehen wird, muß sie auch unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Daseinsvorsorge betrachtet werden.
Mit dem Anschluss an das Nahwärmenetz begeben sich die Menschen in eine direkte Abhängigkeit von der Betreiberin der Anlage und des Netzes. Egal, ob das die Stadt selber ist oder ob es die Stadtwerke sein werden oder Dritte, wir haben eine besondere Verantwortung für die Sicherheit und die Verlässlichkeit der Wärmeversorgung.
Für mich ist eine Forschungsanlage keine verläßliche Basis dafür.
Die öffentliche Daseinsvorsorge ist für mich aber ein wesentlicher Gesichtspunkt.

Zudem habe ich ernsthafte Zweifel, ob die Einleitung von heruntergekühltem und sauerstoffübersättigten Wasser in die Tiefenzonen des Kleinen Plöner Sees überhaupt dem erwünschten Verbesserungseffekt erzielt, auch im Bezug auf die Phosphoreinbringung.
Zum Methan: Das Leibnitz-Institut für Wasserökologie und Binnenfischerei hat am 5. Dezember 2019 einen Artikel veröffentlicht; Titel:
„Sauerstoffreiche Seen als Quelle für Methan identifiziert“. Demnach wird Methan – entgegen bisheriger Erkenntnisse – hauptsächlich in der warmen Oberschicht von Seen gebildet. 
Dennoch wird im Foliensatz suggeriert, dass die Einleitung von sauerstoffreichem Kaltwasser in die Tiefenzonen zu einer erheblichen Reduzierung der  Methanemission führt.

Jeder Eingriff in die Natur ist ein Eingriff, und auch wenn er gut gemeint ist. Die Folgen zeigen sich immer erst hinterher.
Aus den Unterlagen für heute geht auch hervor, dass es keine 100%ige Sicherheit gibt.
Wie viel Sicherheit gibt es wirklich.

Ich hatte daher gebeten, die Limnologin Frau Dr. Krambeck – die sich in ihrer Forschungstätigkeit am Max Planck Institut mit dem Ökosystem der hiesigen Seen auseinandergesetzt hat – als Sachverständige zu dieser Ausschusssitzung einzuladen. In ihrem Gutachten, das ihnen bekannt sein müßte, stellt sie klar, dass die Einleitung von heruntergekühltem Abwasser in den Kleinen Plöner See zur Verbesserung der Wasserqualität überflüssig ist.

Dass Frau Dr. Krambeck nicht eingeladen wurde ist für mich ein Anzeichen, dass eine kritische Diskussion auf Basis wissenschaftlicher Fakten zu diesem Thema nicht erwünscht ist.
Dass Herr Dr. Holm sich vor zwei Tagen telefonisch mit Frau Dr. Krambeck in Verbindung gesetzt hat, ändert nichts an meiner Einschätzung.

Aufgrund der zahlreichen Risiken, die ich in Verbindung mit dem Projekt sehe, habe ich als Ratsherr zur Sitzung des Hauptausschusses am kommenden Montag einen Antrag zum Tagesordnungspunkt „Risikomanagement Enegetisches Quartierskonzept“ gestellt.
Er kann seit Montag von allen im Bürgerinformationssystem eingesehen werden.

Aufgrund der zahlreichen Risiken hoffe ich, dass sich der Hauptausschuss entscheidet, dieses Projekt von jetzt an durch ein professionelles, externes und zertifiziertes Risikomanagement begleiten zu lassen.

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt, dem ich angehöre, wird in die heutige Entscheidung mit einbezogen, weil es auch um das Bauvorhaben eines Photovoltaik-Feldes auf städtischen Flächen im Außenbereich geht.

Wie Sie alle seit Jahren wissen, lehne ich die Bebauung der Trammer Seewiesen ab.
Ich habe lange überlegt, ob ich dem vorliegenden Antrag heute zustimmen werde, weil ich im Grunde genommen für den Bau der Massenalgenanlage bin.
Eine Bebauung der Trammer Seewiesen habe ich seit Jahren abgelehnt, das schießt die Ablehnung einer PV- oder Solarthermieanlage mit ein.
Ich stehe zu meiner Positionen.
Ich sehe mehr Risiken als Chancen.
Ich möchte politisch glaubwürdig bleiben.
Daher bleibt mir heute nichts anderes übrig, als den Antrag in der vorliegenden Form abzulehnen.”