Der Begriff „Aktenmäßigkeit der Verwaltung“ geht auf den deutschen Soziologen, Nationalökonom und Juristen Max Weber zurück, (https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Weber) der auch die Begriffe Gesinnungs- und Verantwortungsethik geprägt hat, die heute oft mißbräuchlich und diffamierend genutzt werden.
Die Aktenmäßigkeit der Verwaltung sieht vor, dass der Sachstand eines Vorganges jederzeit aus den Akten hervorgehen muss. Wichtig ist aber auch, dass aus den Akten hervorgehen muss, wie es zu einer Entscheidung gekommen ist. Heute würde man die „Aktenmäßigkeit“ auch im Zusammenhang mit dem Begriff „Transparenz“ benutzen, ohne das damit das gleiche gemeint ist.
Daher finde ich es gut, dass wir uns in der Protokollführung nicht nur auf ein Ergebnisprotokoll beschränken, sondern zumindest Verlaufsprotokolle vorliegen, die teilweise den Charakter von Wortprotokollen haben. Das macht Abwägungen transparent und nachvollziehbar.
Was mich seit einigen Monaten ärgert ist der Versuch, den Bau einer Windkraftanlage auf dem Gelände der Kläranlage so weit und so lange wie möglich aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten, obwohl es sich nach meiner festen Überzeugung um ein Vorhaben handelt, das von öffentlichem Interesse ist.
Daher habe ich seit einiger Zeit ein Problem mit der Absicht der Stadtwerke (Anstalt öffentlichen Rechtes (AöR, Eigentümerin ist die Stadt Plön), auf dem Gelände des Klärwerkes Tweelhörsten eine Windenergieanlage zu errichten. Die Gründe, die für mich dagegen sprechen, führe ich am Ende des Beitrages noch einmal stichpunktartig auf. In diesem Beitrag möchte ich mich schwerpunktmäßig mit dem Verfahren befassen, obwohl das für viele dröger Stoff sein wird.
Das Grundproblem ist, dass die Sitzungen des Verwaltungsrates der Stadtwerke AöR nicht öffentlich sind. In den Sitzungen werden Geschäftsgeheimnisse besprochen. Damit ist das vom Grundsatz her auch in Ordnung. Daher sind die Mitglieder des Verwaltungsrates, zu denen ich auch bis zum 21. September 2022 diesen Jahres gehörte, zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Um mich nicht angreifbar zu machen, habe ich mich zu den Planungen bis dahin auch nicht öffentlich geäußert und ich werde auch zu Inhalten der Sitzungen des Verwaltungsrates nichts schreiben.
Wie auch immer:
In der Sitzung des Hauptausschusses (HA) vom 16. Mai 2022 haben sowohl der Bürgermeister wie auch die Bürgervorsteherin über die Absicht der Stadtwerke AöR gesprochen. (Ich habe mehrfach unkorrekter Weise geäußert, dass das in einer Sitzung der Ratsversammlung geschehen sei und bitte den Fehler zu entschuldigen) In der Niederschrift der Sitzung des HA wird die Aussage des Bürgermeisters wie folgt protokolliert: „Seitens der Stadtwerke wurde auch eine Windkraftanlage zur Stromerzeugung erwogen“. Etwas später ist zu lesen: „Die Bürgervorsteherin berichtet, dass in der letzten Sitzung des Verwaltungsrates darüber gesprochen wurde, eine Bauvoranfrage für die Errichtung einer Windergieanlage auf dem Gelände des Klärwerkes zu stellen.“
Damit war im Grunde genommen die Öffentlichkeit hergestellt, allerdings nicht im Bezug auf den Stand des laufenden Verwaltungsverfahrens.
Am 15. November 2022 habe ich dann in meinem Blog einen Beitrag veröffentlicht, den Verfahrenich auch auf Facebook verlinkt habe.
http://www.ingo-buth.de/2022/11/15/gegenwind-fuer-ein-windkraftwerk/
In dem Beitrag habe ich begründet, warum ich die Kläranlage Tweelhörsten als Standort für eine Windkraftanlage für problematisch halte. Auf Facebook gab es einige kleinere – zustimmende und ablehnende – Diskussionsbeiträge. Es entwickelte sich aber keine allgemeine Debatte.
Dennoch hatte ich nach mehreren Gesprächen den Eindruck, dass das Vorhaben in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Dabei sind Windkraftanlagen eigentlich immer von öffentlichem Interesse. Die Diskussion setzt aber meist erst ein, wenn Planungen weit fortgeschritten sind und die Bürger*innen erst so spät davon erfahren, dass eine Grundsatzentscheidung „Ja oder Nein“ kaum noch möglich ist. Danach wird dann nur noch gesichtswahrende Kosmetik an den Planungen betrieben.
Ich habe bereits in einem anderen Beitrag Frau Prof. Dr. Gerdes-Rohkamm zitiert:
“Weil uns das, was wir heute bauen, meist über 100 Jahre begleitet, ist Bauen eine große Verantwortung.” Das halte ich für eine richtige und wichtige Aussage.
Da die Presse nicht in jeder Ausschusssitzung anwesend ist, wohl aber in den allermeisten Ratsversammlungen, hatte ich mich sehr kurzfristig entschieden, das Thema Windkraftanlage noch einmal in der Ratsversammlung anzusprechen um eine öffentliche Diskussion anzustoßen.
Ansatzpunkt war der Tagesordnungspunkt 15 / Wirtschaftspläne 2023 der Stadtwerke Plön AöR sowie der Stadtwerke Versorgungs GmbH.
Im Wirtschaftsplan war zu lesen, dass für den Bau einer Windkraftanlage oder Photovoltaikanlage 1.200.000,- Euro in den Haushaltsplan eingestellt werden.
(Das nebenbei: Eine Photovoltaikanlage auf den Trammer Seewiesen kann ich mir aus Gründen des Landschaftsschutzes auch nicht vorstellen. Daher habe ich in der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Planung angeregt zu prüfen, ob die Stadt Plön sich nicht am PV-Feld der Gemeinde Wittmoldt beteiligen könnte, das gerade mal zwei Kilometer vom Klärwerk entfernt liegt.)
Da der Tagesordnungspunkt 15 nur eine Kenntnisnahme der Wirtschaftspläne, aber keine Beratung und keinen Beschluss vorgesehen hat, hätte die Bürgervorsteherin oder ihr Vertreter eine Diskussion unter dem Tagesordnungspunkt unterbinden können.
Daher habe ich mich entschieden, das Thema unter dem Tagesordnungspunkt 7 / „Anfragen der Ratsmitglieder“ anzusprechen.
Damit sowohl die Mitglieder der Ratsversammlung wie auch die anwesenden Gäste wie auch die Pressevertreter*innen die Fragen verstehen, habe ich den Sachstand ausgeführt. Das ist natürlich schon „taktisch“ gewesen, um eine breitere „Öffentlichkeit“ herzustellen.
Die Bürgervorsteherin, die gesundheitlich sehr angeschlagen war und später die Sitzung verlassen hat – an dieser Stelle möchte ich ihr von ganzem Herzen gute Besserung wünschen – versuchte zwei Mal, mich zu unterbrechen, was ich aber zurückgewiesen habe.
Die eigentlichen Fragen, die mich bewegt haben, sind:
– Gibt es eine Wirtschaftlichkeitsberechnung?
– Ist der Standort auf seine Eignung hin untersucht worden?
Beide Fragen sind durchaus begründet.
Ich habe mit mehreren Personen gesprochen, die sich schon früher mit Windenergieanlagen befasst haben. In dem Zusammenhang ist die Aussage gefallen, dass sich Kleinwindenergieanlagen unter heutigen Bedingungen nicht wirtschaftlich betreiben lassen. Diese Aussage bezieht sich möglicherweise nur auf die Einspeisung von Energie in das öffentliche Netz und nicht auf den Eigenverbrauch, aber zu klären wär das.
Darüber hinaus habe ich starke Zweifel, ob der Standort aus technischer Sicht überhaupt geeignet ist. Der Wind weht relativ gleichmäßig über die Fläche des Kleinen Plöner Sees. Dann trifft er auf die Halbinsel, die eine ca. 10 Meter hohe, fast durchgehende Ufervegitation aufweist. Dazwischen sind Abschnitte mit Baumgruppen, die nach meiner Schätzung ca, 20 Meter hoch sind. Dadurch werden in unmittelbarer Nähe der Windenergieanlage starke Turbulenzen hervorgerufen, die:
zum einen zu höheren Belastungen für das Material und damit zu vermehrtem Verschleiß und häufigeren Wartungsarbeiten führen,
zum anderen den Wirkungsgrad der Anlage negativ beeinträchtigen.
Das ist nicht aus der Luft gegriffen. So schreibt der Bundesverband WindEnergie eV in einer Studie zur Wirtschaftlichkeit und Vergütung von Kleinwindenergieanlagen bereits im Dezember 2012:
„Auch die schwer einzuschätzenden Standorte bereiten der Kleinwindenergiebranche Probleme. Oftmals sind die Standorte eher mit schlechtem Windregime ausgestattet. Es herrschen bei Nabenhöhen zwischen 5 m und 30 m geringe Windgeschwindigkeiten vor, jedoch mit einer hohen Turbulenz.“
Ob eine Windkraftanlage unter diesen Bedingungen überhaupt die Leistung erreicht, von der man seitens der Stadtwerke ausgeht, ist zumindest für mich fraglich.
Die oben genannten Fragen habe ich an meinen Kollegen Gerd Weber (Bündnis 90/die Grünen) als Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Stadtwerke AöR gerichtet.
Der hat die Fragen nicht beantwortet. Damit ist davon auszugehen, dass beide Fragestellungen bisher nicht untersucht wurden.
Er führte allerdings aus, dass die Bauvoranfrage im Ausschuss für Stadtentwicklung und Planung (SteP) behandelt wurde. Zweck der Bauvoranfrage war sei es zu prüfen, ob an dieser Stelle überhaupt eine Genehmigung für eine Windkraftanlage erteilt werden kann.
Leider ist es mir aufgrund der Verschwiegenheitspflicht an dieser Stelle nicht möglich, öffentlich Aussagen zum Abstimmungsergebnis und vor allem zu den Inhalten der Verwaltungsvorlage zu machen.
Damit liegt die Entscheidung jetzt beim Kreis. Ich gehe davon aus, dass dort nicht nur die ökologischen Fragen, sondern auch die Rechtsgrundlagen für eine Genehmigung sorgfältig geprüft werden.
Ich finde das bisherige Verfahren problematisch, weil der Bau einer Windenergieanlage mit der Höhe der Hochhäuser an der Fegetasche durchaus von öffentlichem Interesse sein dürfte.
Damit wäre für mich eine vorhergehende Beratung im Ausschuss für Gesellschaftliche Angelegenheiten, Umwelt und Tourismus (GUT) sinnvoll gewesen. Vorsitzender des Ausschusses ist der Kollege Weber.
Es ist zwar vom Verfahren her vorgesehen, das der SteP das gemeindliche Einvernehmen zu Bauvoranfragen erteilt oder versagt, aber in diesem Fall wäre eine vorherige Befassung des GUT durchaus sinnvoll gewesen.
Für mich wäre es interessant gewesen, wie der GUT sich in der Grundsatzfrage „Ja oder Nein“ positioniert hätte. Im Grunde genommen ließe sich der Ablauf so interpretieren, dass die Mitglieder des GUT in dieser Frage erst einmal übergangen wurden, um das Verfahren weiter zu treiben, bis es unumkehrbar ist.
Natürlich liegt hier wieder das Gegenargument in der Luft, ich würde mit Unterstellungen arbeiten.
Letztendlich haben die Mitglieder des Hauptausschusses – und der übergeordneten Ratsversammlung – im Rahmen des Beteiligungsmanagements vermutlich ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern im Verwaltungsrat der Stadtwerke der AöR, sofern es sich dabei um Mitglieder der Ratsversammlung oder bürgerliche Mitglieder handelt. Das kann immer noch spannend werden. Ich gehe jetzt auch davon aus, das die Windenergieanlage Gegenstand der Kommunalwahl im Mai 2023 wird.
Zu guter Letzt noch einmal die stichpunktartige Zusammenfassung meiner Sachstandsdarstellung und der Fragen in der Sitzung der Ratsversammlung, so wie ich sie mir notiert habe. Am Rednerpult habe ich auf Basis der Stichpunkte relativ frei geredet.
1. Es sollte bekannt sein, dass auf dem Gelände des Klärwerks eine Windkraftanlage errichtet werden soll.
2. Die Anlage ist doppelt so hoch wie der Parnaßturm bzw. so hoch wie die Hochhäuser an der Fegetasche.
3. Aspekte des Landschaftsschutzes und des Landschaftsbildes bleiben unbeachtet
Der Standort der Windkraftanlage liegt auf einer Halbinsel mitten im Kleinen Plöner See.
4. Das Gebiet des Klärwerkes ist an drei Seien von einem FFH-Gebiet umgeben.
5. Wer Seeadlersalami mag, baut an der Stelle eine Windkraftanlage. Die Seeadler fliegen an der Stelle über der Landbrücke von Trammer See und Kleinem Plöner See niedrig und im Drehbereich des Rotors.
6. Zahlreiche Zugvögel halten sich im Bereich der Ufervegetation und der Kleingärten auf, derzeit Grünfinken und Wacholderdrosseln. Sie werden durch bodennahe, schnelldrehende Rotoren von Kleinwindanlagen ebenfalls gefährdet.
7. Erhöhte Belastung für die Kleingartenanlage, die in unmittelbarer Nähe des Standortes für die Windkraftanlage liegt und ein wichtige Naherholungsgebiet ist.
8. Die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden der Stadtwerke, der Maßnahme Land in Sicht und des Kompostplatzes des Kreises liegen in unmittelbarer Nähe des Standortes für die Windkraftanlage.
9. Es liegen Wohnungen in unmittelbare Nähe der geplanten Windenergieanlage.
10. Frage: Eignung des Standortes?
11. Frage: Berechnung der Wirtschaftlichkeit?