Europa und das Meer, Bericht aus Berlin

Ich wollte schon seit einiger Zeit die Ausstellung „Europa und das Meer“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin, die noch bis zum 06 Januar 2019 gezeigt wird.
Dienstag war es so weit. Leider war es nicht erlaubt, in der Ausstellung zu fotografieren
Im lesenswerten Blog des DHM sind einige Beiträge auch mit Bildern zu sehen.
http://www.dhm.de/blog/category/inside-dhm/

Einleitend wird in der Ausstellung die These vorangestellt: Europa ist ein maritimer Kontinent. Er außer im Osten vom Meer umgeben und hat eine lange Küstenlinie. Machtpolitik – und damit nicht nur, aber unausgesprochen auch militär-strategische Aspekte – ist ebenso bedeutsam wie der Handel über See, der 90% des Warenaustausches weltweit ausmacht. Unterschiedliche Aspekte des maritimen Europa werden am Beispiel verschiedener europäischer Städte beleuchtet.

Die erste Station befaßt sich mit dem Seehandel und der Seemacht der antiken Griechen und des Römischen Reiches. Neben dem maritim-mythischen Bezügen der Odyssee wird bereits hier deutlich: Wer die See beherrscht, beherrscht den Handel und wer den Handel beherrscht, beherrscht die Welt (Sir Walter Raleigh, 1552(54?) – 1618). Leider geht man nicht auf Ansätze vorantiker Schifffahrt ein und läßt die Phönizier/Punier als bedeutende Handelsmacht und Konkurrenten Roms aus.
Das Römische Reich hatte mit dem Mare Nostrum, dem Mittelmeer, eine sehr maritime Komponente.

Die zweite Station befaßte sich mit der Seerepublik Venedig, deren Macht auf den Gewinnen des florierenden Seehandels über das Mittelmeer beruhte.
http://www.dhm.de/blog/2018/10/23/europa-venedig-und-das-meer/
Die Konkurrenzsituation mit der Stadt Genua wird nur nebenbei erwähnt, aber der Konflikt mit dem expansiven osmanischen Reich findet breiten Raum. Die Seeschlacht von Lepanto 1571 wird ausführlich dargestellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Seeschlacht_von_Lepanto
Die Flotte der „Heiligen Liga“ siegte über die Osmanische Flotte. Dieser Sieg wurde propagandistisch ausgeschlachtet als Sieg des überlegenen Christentums über den Islam. Obwohl siegreich, konnte das strategische Ziel der Heiligen Allianz, die Rückeroberung Zyperns, nicht erreicht werden. Tatsächlich hat Venedig bereits 1573 einen Separatfrieden mit dem Osmanischen Reich abgeschlossen und das wiederum setzte seine Expansionspolitik mit der Eroberung von Tunis im Jahr 1574 fort.
Besonders gut gefallen hat mir die alte Handgranate aus Murano-Glas.
Schöner sterben.

Die dritte Station befaßte sich am Beispiel der Stadt Danzig mit dem Nord- und Ostseehandel und damit auch mit der Hanse. Um auf die Hanse einzugehen, hätte ich eigentlich Lübeck für das bessere Beispiel gehalten, da es in der Handelsorganisation eine deutlich wichtigere Stellung eingenommen hat. Mit bis zeitweise mehr als 400 Mitgliedsstädten an der Küste und im Binnenland, aber auch mit dem Ordensstaat des Deutschen Ritterordens im Bereich der heutigen baltischen Staaten und Ostpreußens war die Hanse nicht nur eine nicht-staatliche Handelsmacht, sondern auch ein Machtfaktor, der u.a. auch in der Lage war, Krieg gegen den dänischen König zu führen.

Was mich immer noch interessieren würde wäre, welches Volumen der Seehandel der Hanse im Vergleich zu Venedig und zu dem Handelshäusern der Fugger und Welser gehabt hat. Hierzu habe ich noch nichts gefunden. Wer einen Literaturhinweis hat, ich wäre dankbar.

Der Aufstieg der Seemacht Spanien geht einher mit dem Einflußverlust der Hanse, die im 17. Jahrhundert ohne offizielle Auflösung in der Bedeutungslosikeit verschwand, bevor sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis Heute unterschiedlich gedeutet wird. Aber das ist auch ein Thema für sich und wurde daher in der Ausstellung nicht angerissen.

An der vierten Station wird die spanische Expansion nach Südamerika behandelt. Dreh- und Angelpunkt hierfür ist Sevilla. Als Beginn für die Expansion kann die Wiederentdeckung der kanarischen Inseln im Jahr 1312 gewertet werden. Der Konflikt zwischen den aufstrebenden Seemächten Spanien und Portugal wurde im Vertrag von Tordessillas 1494 aufgelöst, indem Amerika bis auf Brasilien in den spanischen Einflußbereich gestellt wurde, während Afrika und die östlich davon liegenden Gebiete sowie Brasilien dem portugiesischen Einflußbereich zugeordnet wurden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Tordesillas
Während die Kanarischen Inseln erst missioniert und dann der spanischen Krone zugeschlagen wurden, verlief die Expansion nach Amerika genau anders herum. In dem Buch: „Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der Westindischen Inseln“ berichtet Bartholome de las Casas 1542 über die Gräultaten gegen die indigene Bevölkerung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bartolom%C3%A9_de_Las_Casas
Die Debatte von Valladoid 1551/51 kann in dem Zusammenhang als erste Menschenrechtsdebate in Europa gewertet werden. Sie verlief ohne greifbres Ergebnis.
https://de.wikipedia.org/wiki/Disput_von_Valladolid
Neben Gold wurde vor allem Silber nach Europa verschifft. Der Anbau von Zuckerrohr und Tabak ist der Ausgangspunkt der Verschleppung von ca. 12 Mio Sklaven aus Schwarzafrika nach Amerika, aber das wird in der Ausstellung nicht weiter erörtert.
Interessant fand ich auch den Nachbau des Globus von Martin Behaim aus dem Jahr 1492, der im Original in Nürnberg zu sehen ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Behaim
Die Ergebnisse der Entdeckungsreisen von Columbus sind noch nicht enthalten, der gesamtamerikanische Kontinent ist noch nicht dargestellt, wohl aber Japan. Das Exponat macht klar, daß den damaligen Gelehrten bereits bewußt war, daß die Erde keine Scheibe ist.
Auf der 1527 entstandenen Karte des Kosmographen Diego Ribero, der im Dienst der Casa de Contrataction stand, ist dann auch der amerikanische Kontinent dargestellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Casa_de_Contrataci%C3%B3n

Eine Station weiter befaßt sich die Ausstellung mit Lissabon, der Drehscheibe des ökonomischen und kulturellen Austausches mit Asien. Der portugiesische unterschied sich vom spanischen Kolonialismus. Die Portugiesen haben, außer in Afrika, im Wesentlichen keine Siedlungskolonien erkämpft, sondern sich auf Handels- und militärische Stützpunkte beschränkt. Indien, China und Japan wurden nie besetzt. Kulturimporte aus Asien sind u.a. Nudeln, Klopapier, Tee, Papiergeld und Porzellantassen. Handelswaren waren vorzugsweise Tee und Gewürze. Sie wurden gegen Silber gehandelt. Andere europäische Güter waren in den dortigen Hochkulturen nicht nachgefragt.

Als nächstes wurde Amsterdam behandelt. Hierbei ging man nicht auf die Aspekte des durchaus beachtlichen und weltumspannenden niederländischen Kolonialismus ein. Vielmehr wird Amsterdam, ohne es so zu nennen, als maritimes Silicon Valley des 17/18. Jahrhunderts dargestellt. Es hatte eine führende Stellung in den Bereichen Navigation, Kartographie und Schiffbau erworben. Im nordeuropäischen Raum waren die Niederlande maßgeblich bei der aus Spanien/Portugal übernommenen Karweel-Bauweise, die die typische nordeuropäischen Klinkerkonstruktionen ablösen konnten. Hier dürfte auch die Wurzel des russischen Seeinteresses zu suchen sein. Peter der Große hielt sich in den Niederlanden auf, um sich über die Seefahrt und Schiffbau zu informieren.

Die Aufteilung der Welt zwischen Spanien und Portugal ließ sich nicht durchhalten. Als weitere Kolonialmächte traten unter anderem Großbritannien und Frankreich auf den Plan. Sie werden in den nächsten beiden Stationen behandelt werden.

Nantes wird beispielhaft für den Sklavenhandel dargestellt. Der war Teil des Transatlantischen Dreieckshandels. Werkzeuge, Waffen, Tuche und Metalle wurden an die westafrikanische Küste gebracht und vor Ort gegen Sklaven gehandelt. Die Sklaven wurden dann nach Amerika verbracht und dort verkauft, wo sie überwiegend in der Landwirtschaft arbeiten mußten. Kolonialwaren wie Gewürze, Tabak und Zucker wurden dann auf dem Rückweg nach Europa transportiert. Kaufleute und Schiffe aus Nantes wurden hierfür eingesetzt. Die Verschleppung von 495.000 Afrikaner*innen geht auf ihr Konto. Sklaverei wurde in Frankreich 1817 abgeschafft. An einer anderen Stelle in der Ausstellung wird 1848 genannt. Der Sklavenhandel wurde aber bis 1848 weiter betrieben, wobei mir nicht ganz klar geworden ist, ob legal oder illegal.
Aber nicht nur französische Kaufleute sind mit Sklavenhandel reich geworden.
Auch die Sklavenjäger haben von diesem Geschäft profitiert, etwa das Königreich Monomotapa im heutigen Mosambik/Simbabwe), wobei der Sklavenhandel im Wikipedia-Beitrag keine Erwähnung findet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Munhumutapa-Reich
anders als für das Königreich Dahomeya (Goldküste)
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Dahomey

Aus meiner Sicht wäre es interessant zu überlegen, ob man zu dem Komplex Sklavenhandel eine differenziertere Sicht einnehmen muß. Sklavenhandel war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit durchaus üblich und/oder legal. Nachweislich haben sich Europäer an dem Sklavenhandel beteiligt (ca. 12 Mio Verschleppte nach Amerika), aber auch die arabischen Barbaresken-Piraten in Nord-Afrika (ca. 1 verschleppte Mio Europäer*innen) und afrikanische Nationen haben sich beteiligt. Zumindest teilweise waren es Afrikaner, die andere Afrikaner gefangen und zum Kauf angeboten haben. Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt. Das Bild des unmündigen Afrikaners, der durch Europäer mit Glasperlen, Gewehre und Kochtöpfe verleitet wird, seine Mitmenschen zu vermarkten, ist möglicherweise nicht zutreffend. Auch wenn die afrikanischen Königreiche keine Schriftsprache hatten, muß man sie sich wohl eher als strukturierte Gemeinwesen mit hierarchischer Ordnung und nicht als Ansammlung von unkultivierten „Wilden“ vorstellen.
Damit soll aber in keiner Weise die europäische Verantwortung relativiert werden.

Am Beispiel London werden in der nachfolgenden Station die Verknüpfung von Seefahrt und Handel dargestellt. Die Industrielle Revolution mit der Erfindung der Dampfmaschine hatte erheblichen Einfluß auf die Schiffahrt. Reisezeiten verringerten sich erheblich. Der Warenaustausch beschleunigte sich, Fahrzeiten wurden regelmäßiger. Schiffe wurden teurer, Aktiengesellschaften wurden gebildet, um ihre Finanzierung sicherzustellen.
Auch Infrastrukturprojekte wie der Suezkanal wurden über Aktien finanziert (Die durch den Franzosen Lesseps gegründete Kanalbaugesellschaft agierte im osmanischen Reich und wurde dann später im wahrsten Sinne des Wortes von den Briten feindlich übernommen). Die Realwelt trifft auf die Finanzwelt. Die Londoner Docks wurden zum Vorbild, u.a. für die Hamburger Speicherstadt. Eine Beschleunigung und der wachsende Umfang des Welthandels erfordert Kommunikation und Standardisierung. Das erste Transatlantikkabel wurde 1859 gelegt, 1968 wurde der Standardcontainer in London mit der ISO 668 festgelegt. Heute werden 70% des Stückgutes in Containern transportiert.

Eine weitere Station behandelt Bremerhafen als einen der großen Auswandererhäfen. Die erste große Auswanderungswelle ist 1840 zu verzeichnen. Die Reise mit dem Segelschiff dauerte ca 40-50 Tage. Unterbringung und Verpflegung der Auswandere*innen wurde nach anfänglich chaotischen und ausbeuterischen Verhältnissen reglementiert. Ab 1860 wurden zunehmend Dampfschiffe eingesetzt. Die Reisezeit verringerte sich auf ca. 14 Tage.
Die zweite Auswanderungswelle setzte zwischen 1880 und 1914 ein. In manchen Jahren machten sich bis zu 1,3 Mio Menschen aus Europa auf den Weg in die Neue Welt. Ab 1892 lief die Einwanderung in die USA dann über Allis Island
https://de.wikipedia.org/wiki/Ellis_Island,
1921 wurde eine Quotenregelung eingeführt, 1924 reglementierte der Immigration Act die Einwanderung in die USA. Nicht erwähnt wird, daß neben den USA viele andere Länder in Nord- und Südamerika Ziel der Auswanderung waren.

In der nächsten Station wird Europa als postkolonialer Einwanderungskontinent thematisiert. Hier bricht die Ausstellung mit der Systematik, Themen anhand von Städten darzustellen. Die Einwanderung nach Europa wird anhand der Windrush Generation erläutert. Die Windrush war ein Schiff, mit dem 1948 ca. 500 Menschen aus der Karibik nach Großbritannien eingewandert sind, um dem dortigen Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Die Windrush Generation, zu der es keinen deutschen Wikipedia Eintrag gibt, hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit.
https://www.nzz.ch/international/windrush-die-geschichte-einer-sehr-englischen-schlamperei-ld.1381900
1962 wurde der Zuzug dann über ein Einwanderungsgesetz reglementiert.
Die aktuelle Zuwanderung über das Mittelmeer schließt diese Station ab. Vier Einzelschicksale werden dargestellt.

Das Meer als Ressource wird am Beispiel Bergen erläutert. Die Fischerei war bereits ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor in Hansezeiten. Hering aus Schonen oder Stockfisch aus Bergen waren wichtige Lebensmittel. Bei 180 bis 200 katholischen Feiertagen, an denen kein Fleisch gegessen werden durfte, nahm Fisch eine wichtige Bedeutung für die Ernährung ein. Auch der Walfang war von erheblicher Bedeutung. Der Tran von ganzen Walgenerationen wurde in Europa (und den USA) zur Beleuchtung der Wohnungen und Straßen genutzt und brachte manche Walart an die Grenze zur Ausrottung. Heute sind unterseeische Öl- und Gasvorkommen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Zukünftig könnte auch der unterseeische Bergbau wichtig werden. Von Manganknollen wird seit Jahrzehnten geredet, auch wenn ihr Abbau bis heute nicht erfolgt,  und die Rohstoffe, die sich in „Rauchern“ in der Tiefsee ansammeln, können in Zukunft wichtig werden, da sie Rohstoffe für elektronische Bauteile beinhalten.

Das Meer als Forschungsobjekt wird im Zusammenhang mit Kiel behandelt. Während man im 18. Jahrhundert noch der Ansicht war, daß die Tiefsee aufgrund des Druckes unbewohnbar ist, ist man heute gerade erst dabei, die Tiefsee und ihr vielfältiges Leben zu entdecken. Das GEOMAR in Kiel wird dargestellt, das Alfred Wegener Institut in Bremerhaven findet keine Erwähnung. Andere europäische Forschungsinstitute auch nicht.

Das Thema Tourismus wird am Beispiel Brighton erörtert. 1750 Beschreibt der Britische Arzt Richard Russel die Heilwirkung von Seewasser. 1793 wird in Heiligendamm die erste Seebrücke fertig gestellt. 1797 wird Norderney Nordseebad. 1823 verfügt Brighton über eine große Seebrücke.
Um 1900 ist der Bädertourismus entwickelt und das Bürgertum hat die Küsten erobert.
Die „Nordlandreisen“ von Kaiser Wilhelm II in den Jahren 1889 bis 1914 beflügeln den Kreuzfahrttourismus in Deutschland. In den 20ger Jahren bewirbt eine Reederei ihre Kreuzfahrten nach Norwegen mit dem Begriff „Nordlandreise“. Die NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF) bietet im Dritten Reich mit ihren Schiffen Kreuzfahrten für „Jedermann“. KdF kann auch als Erfinderin der Bettenburg gelten. In Prora auf der Insel Rügen entsteht die erste Feriengroßanlage und wird damit Vorläufer des Massentourismus, der sich seit 1960 voll entwickelt.

Das Meer als Sehnsuchtsort ist dann nicht mehr an einen Ort gebunden. Literatur, Malerei und Musik werden dann im wohl schwächsten Ausstellungsteil erörtert.

Die Ausstellung geht im ersten Teil sehr auf die Beherrschung der Meere ein, ein Aspekt, der im weiteren Teil der Ausstellung kaum noch eine Erwähnung findet, obwohl er in zwei Weltkriegen und bis heute durchaus von Bedeutung ist. Europa war nicht immer friedlich. Für die letzten 70 Jahre dürfen wir wirklich dankbar sein. Leider gelingt der schwierige Spagat, großräumige globale oder europäische Entwicklungen nur bezogen auf eine Stadt darzustellen, nicht immer. Auch der Europabegriff, der der Ausstellung zu Grunde liegt, kann durchaus hinterfragt werden, weil er Rußland mehr oder weniger komplett ausklammert. Alles in Allem aber dennoch eine gelungene und

 

 

sehr interessante Ausstellung, deren Besuch sich durchaus lohnt.

Das Kreuz mit den Kreuzen vom Cape Cross

Diogo Cao, portugisischer Seefahrer und Entdecker, war im Auftrag seines Königs Johann II auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien. Im Januar 1486 stellte er am Cape Cross im heutigen Namibia eine Sandsteinsäule mit Kreuz, eine Padroes, auf. Sie diente in erster Linie dazu, die Inbesitznahme des Landes durch die portugiesische Krone zu dokumentieren, in zweiter Linie diente sie auch als Landmarke zu Navigationszwecken.

Im November 1893 wurde die portugiesische Säule, die sich seinerzeit dann in der deutschen Kolonie „Deutsch Süd-West Afrika“ befand, demontiert und in das Deutsche Kaiserreich verbracht. Sie wurde vor Ort erst durch ein Holzkreuz, später durch ein Granitkreuz ersetzt, das zusätzlich auch das Wappen des Deutschen Kaisers trug.

Nach der Unabhängigkeit Namibias am 21. März 1990 wurde ein weiteres Kreuz aufgestellt, ohne kaiserliches Wappen und aus einem afrikanischen Stein geschlagen.

Das ursprünglich portugiesische Kreuz befindet sich heute im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin. Die „kaiserliche“ und die „namibische“ Kopie befinden sich in Namibia.
2017 hat Namibia offiziell eine Rückführung des Originals gefordert.

In dem Symposium „Die Säule von Cape Cross, Koloniale Objekte und historische Gerechtigkeit“ wurde am 07. Juni im DHM unter Beteiligung deutscher und namibischer Experten erstmals öffentlich darüber diskutiert, wie mit dem Ausstellungsstücken in Deutschen Museen und Archiven zu verfahren ist, die in der Kolonialzeit ihren Weg nach Deutschland gefunden haben.

Für mich stellten sich folgende drei Aspekte als besonders bedeutsam heraus:

Erstens: Es besteht ein Spannungsfeld zwischen Recht und Gerechtigkeit. Dennoch darf das Streben nach Gerechtigkeit nicht zu einer weiteren und schleichenden Aushöhlung des Völkerrechtes oder völkerrechtlicher und zwischenstaatlicher Vereinbarungen führen. Was passiert, wenn völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge nicht eingehalten werden und „Bauchgefühle“ aufeinanderprallen, kann man sich jeden Tag in den Nachrichten ansehen.

Zweitens: Über die deutsche Kolonialgeschichte ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Eine Aufarbeitung hat bislang nicht stattgefunden.

Drittens: Namibia und Deutschland verbindet eine gemeinsame Geschichte. Ihre Erforschung darf auch vor nationalen Mythen nicht halt machen.

Herr Professor Francisco Bethencourt vom Kings College London erläuterte zu Beginn im Rahmenvortrag, daß es drei Arten kolonialer Objekte gibt.
– Objekte, die aus den Kolonialmächten in die Kolonien gebracht wurden.
– Objekte, die aus den Kolonien in die Kolonialstaaten gebracht wurden und
– Objekte, die in den Kolonien für die Kolonialstaaten hergestellt wurden.

Frau Professorin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz führte aus, dass es nur für Objekte, die rechtswidrig nach Europa bzw. in den „globalen Norden“ verbracht wurden, einen völkerrechtlich begründeten Rückführungsanspruch gibt. Für die Beurteilung der Frage, was rechtswidrig ist, sind die Maßstäbe anzulegen, die zur der Zeit des Herganges galten. Würde man heutige Rechtsmaßstäbe an alte Hergänge anlegen, wäre das ein Fall echter Rückwirkung. Eine rückwirkende Gesetzgebung oder Rechtsprechung ist aber nicht zulässig und widerspricht grundsätzlich rechtsstaatlichen Prinzipien.
Die Verbringung der Originalsäule im Jahr 1893 nach Deutschland hat gegen keine rechtliche Norm verstoßen, die 1893 bestanden hat. Eine Rückgabe ist damit zumindest juristisch nicht begründbar.
Einer der namibischen Teilnehmer erwähnte später, daß einen Schutzvertrag zwischen dem Kaiserreich und den Herero bestanden hat, nach dessen Bestimmungen der Abtransport der Säule vom Cape Cross bereits 1893 nicht rechtmäßig war.
Inwieweit dieser Vertrag, der in den Betrachtungen von Frau Professorin Schönberger nicht berücksichtigt war, da er und sein Inhalt ihr nicht bekannt sind, zu einer anderen juristischen Wertung führt, ist bislang nicht geprüft worden.

Grundsätzlich und losgelöst vom konkreten Fall sei aber problematisch, dass das damalige Recht das Recht des „Globalen Nordens“ war, das den Völkern des „globalen Südens“ aufgezwungen wurde.
Sie betonte, dass durchaus die Möglichkeit bestände, durch eine entsprechende nationale Gesetzgebung einen juristisch sauberen Weg für die Rückführung von kolonialen Objekten zu schaffen.

Damit griff sie einen Gedankengang ihres Vorredners, Herrn Professor Lukas Meyer von der Karl Franzens Universität in Graz, auf, der sehr wohl die juristischen Aspekte würdigte, als Philosophieprofessor die moralischen Aspekte aber deutlich – für meine Begriffe überdeutlich – in den Vordergrund stellte.

Von erheblicher Bedeutung für die Findung einer gerechten Lösung ist auch der Umstand, dass die Kriegsführung des Kommandeurs der Kaiserlichen Schutztruppen, Generalleutnant Lothar von Trotha, bei der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama 1904-08, als Völkermord zu werten ist. Diese Bewertung vertrat auch der Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Deutsch-Namibische Vergangenheitsbewältigung, Herr Ruprecht Polenz. Er stellte noch einmal klar, daß diese Bewertung heute unumstritten ist.
Dazu möchte ich anmerken, daß diese Bewertung nicht verwunderlich ist. Die Reichstagswahl 1907 wurde seinerzeit als „Hottentottenwahl“ bezeichnet, weil zum Einen die erheblichen Kosten des Kriegseinsatzes in „Deutsch Südwest“ ein innenpolitsiches Streitthema darstellten, zum Anderen aber wurde auch die menschenverachtend brutale Kriegsführung von Trothas öffentlich und durchaus kritisch diskutiert.

Die Teilnehmer aus Namibia betonten durchgehend, dass historische Objekte an ihren historischen Ort gehören. Daher sei ein Tausch, etwas der portugiesischen Säule gegen die kaiserliche Säule, auch keine Option. Der namibische Botschafter betonte, dass Namibia ein stabiler Staat sei, dessen Bevölkerung zum großen Teil christlich und überwiegend evangelisch sei und zu dessen Nationalsprachen auch Deutsch gehört. Der Staat sei sich des historischen Wertes der Säule durchaus bewußt und gewillt, die Säule mit der entsprechenden Sorgfalt zu behandeln. Gleichzeitig betonten gleich mehrere Vertreter*innen, daß Namibia größtes Interesse an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit habe. Immer wieder wurde auch als Argument angeführt, daß der französische Präsident Marcon angekündigt hat, die Restitution afrikanischer (warum eigentlich nur afrikanischer?) Kulturgüter, die sich in Frankreich befinden, zu regeln.

Abschließend bemerkte der Präsident des DHM, Raphael Gross, daß Museen auch immer ethische und moralische Orte seine, die keine Objekte ausstellen sollten, die eine fragwürdige Herkunft haben.
Das ist eine in ihrer Einfachheit und Klarheit deutliche Aussage, die die Richtung der Entscheidung des Museums vorzeichnet.

Über der gesamten Diskussion schwebte nach meiner Beobachtung aber auch die Frage nach der rechtlichen Beurteilung von Reparations- bzw Entschädigungsforderungen. Unterschwellig war erkennbar, daß von deutscher Seite auf jeden Fall vermieden werden soll, mit der Rückgabe einen Vorgang für die Anerkennung weiterer Forderungen zu schaffen.

Herr Ruprecht Polenz erläuterte die Position der Bundesregierung, Namibia in vielfältiger Weise zu unterstützen, etwa durch die berufliche Qualifikation von Jugendlichen, die Förderung des Wohnungsbaus und des Ausbaus der Infrastruktur, insbesondere der Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum und zahlreicher weiterer Projekte.
Nach meinem Eindruck ist dieser Ansatz der Wiedergutmachung ins Stocken geraten, da namibische Bürger*innen bei einem US-amerikanischen Zivilgericht in New York eine Sammelklage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht haben, über deren Zulässigkeit das Gericht noch nicht entschieden hat.
Die Klage gegen einen souveränen Staat vor einem ausländischen Zivilgericht widerspricht grundsätzlich allen Prinzipien des Völkerrechtes. Die Begründung, eine Zuständigkeit ergäbe sich aus dem Umstand, daß hier Menschenrechte massiv verletzt wurden und eine gerichtliche Aufarbeitung in dem betreffenden Staat nicht stattfinden würde, erscheint mir im Hinblick auf Zivilgerichte zumindest sehr fragwürdig.
Sollte das Gericht sich für zuständig erklären, bliebe vor dem Fortgang der namibisch-deutschen Gespräche auch noch die Entscheidung in der Sache abzuwarten.

Ich bin mir im Moment nicht sicher, wie hier entschieden werden sollte. Zuerst bin ich davon überzeugt, daß eine rechtlich einwandfreie Lösung erforderlich ist. Hier kann ich Professorin Schönberger folgen, die den Weg über eine politische bzw. gesetzgeberische Lösung aufgezeigt hat.
Entscheidungen auf Grundlage eines nationalen Restitutionsgesetzes ermöglichen eine sachbezogene Beurteilung jedes Einzelfalles auf einer nachvollziehbaren Rechtsgrundlage, die auch die Überprüfung der Entscheidung auf dem Rechtsweg zuläßt. Dies scheint mir auch der Weg zu sein, den der französische Präsident beschreiten will.
Bauchentscheidungen nach „gesundem Rechtsempfinden“ scheinen mir jedenfalls nicht der richtige Weg zu sein.
Die Abgabe der portugisischen Säule an Namibia bietet aber auch eine Chance, das Thema Kolonialismus und koloniale Objekte im DHM neu zu behandeln und Museumskonzepte zu entwickeln, die etwa durch die Nutzung moderner Medien auch ohne historische Objekte auskommen.

Mein Name ist Meier

Wie geht man eigentlich mit Nazi-Kram im Museum um? Das Militärhistorische Museum Flugplatz Gatow (ehemals Luftwaffenmuseum) hat hier einen kreativen Ansatz gefunden. Zum Sammlungsgut des Museums gehört die Uniform von Hermann Göring. Wie stellt man ein solches Exponat aus, ohne daß ewig Gestrige bewundernd davor stehen? Früher wurde die Uniform mit der Erklärtafel „Uniform eines Reichsmarschalls“ präsentiert. Das war unbefriedigend, da es nur einen von der Art gab, eben den dicken Göring, der wegen seines Hanges zum operettenhaften auch „Lametta-Heini“ genannt wurde. Göring hat seinerzeit geäußert, er wolle Meier heißen, wenn jemals ein feindliches Flugzeug Reichsgebiet überfliegen würde. Jetzt steht seine Uniform vor einem Bild des zerbombten Berlins, darüber die Überschrift: „Mein Name ist Meier“.
140914_Meier_klKleiner Seitenhieb: Vermutlich wird nur in unserem Kreisheimatmuseum General Ludendorff als “Großer Plöner” bezeichnet, neuerdings mit dem kleinen Hinweis versehen, daß heute nicht mehr jeder diese Meinung teilt. Ich vermisse hier jede kritische Distanz.

Meier ist der zweitgrößte Aufreger in dem Museum. Die größte Aufregerin ist die „Mülltonne der Geschichte“. Diese Inzenierung zeigt einen Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee in der Uniform der Bundeswehr, aber noch mit einer Kalaschnikow ausgerüstet. Daneben eine original DDR-Mülltonne (soll gar nicht mehr so einfach zu bekommen sein), die mit allerlei Büchern und Uniformteilen, einer DDR-Flagge und einem Honeckerbild gefüllt ist. Hierzu gab es allerlei Proteste, die an das Verteidigungsministerium gerichtet wurden und mittlerweile Ordner füllen. Tatsächlich hat es solche Szenen gegeben, wie eine kleine Filmschleife zeigt, die als Reaktion auf die Proteste nachträglich in der Vitrine angebracht wurde.
140913_Muelltonne_klIch hatte die Gelegenheit, auch einen Blick in den Instandsetzungsbereich des Museums zu werfen. Hier stand neben einer Iljuschin 28, einem der ersten strahlgetriebenen Bomber, auch eine Heinkel He 111. Dieses Flugzeug wurde Ende der Vierziger Jahre in Spanien gebaut und Ende der Sechziger Jahre auf Luftwaffe umlackiert, um im Film „Luftschlacht um England“ (Erscheinungsjahr 1969) Verwendung zu finden. Anschließend ging die Maschine an einen deutschen Sammler und fand letztendlich ihren Weg in das Militärhistorische Museum. Hier wird die He 111 vorbereitet, um 2015 in einer Sonderausstellung zum 75-jährigen Bombardement Rotterdams gezeigt zu werden.
140914_H111_klEtliche Flugzeuge warten noch auf ihre Aufbereitung. Diese MIG 21 steht ganz vorne in der Warteschlange. Sie verfügt über kyrillische, arabische und deutsche Beschriftungen. Der Grund hierfür: Diese Maschine gelangte auf verschlungenen Wegen von Ägypten nach West-Deutschland, wo sie während des Kalten Krieges vermutlich einer ausgiebigen Analyse unterzogen wurde.
140914_MIG_kl

Vor 100 Jahren II

Ich hatte bereits Anfang Juli, 100 Jahre nach den Attentat auf den österreichischen Thronfolger, über die diplomatischen Vorgänge geschrieben, die letztendlich zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führen sollten. Heute vor 100 Jahren erklärte Österreich – Ungarn Serbien den Krieg und setzte damit eine verhängnisvolle Spirale in Gang.

Die weiteren österreichisch-ungarischen Überlegungen wurden durch das bevorstehende französisch-russische Gipfeltreffen in St.Petersburg (später Leningrad) bestimmt. Der österreichisch-ungarische Außenminister Berchtold wollte auf jeden Fall vermeiden, daß das Ultimatum bekannt gemacht wird, wenn sich der französische Präsident Poincare in der russischen Hauptstadt aufhält. So sollte vermieden werden, daß die beiden Verbündeten auf höchster Ebene schnell zu einer gemeinsamen und abgestimmten Position kommen.

Eine Seereise von der französischen Kanalküste nach St. Petersburg nahm seinerzeit ca. fünf Tage in Anspruch. Das Eintreffen der französischen Delegation war für den 20. Juli vorgesehen. Ein österreichisch-ungarisches Ultimatum mit einer 48-stündigen Laufzeit hätte also bereits am 18. Juli abgegeben werden müssen, um eine russisch-französische Abstimmung unmöglich zu machen.
In Anbetracht der Tatsache, daß sich noch Teile der österreichisch-ungarischen Truppen im Ernteurlaub befanden und die Zeit für die Mobilmachung auch noch hinzukommen würde, wurde dieser Zeitplan verworfen.

Berchtold ging weiterhin davon aus, daß die französische Delegation St. Petersburg am 25. Juli wieder verlassen wird. Daher wurde beschlossen, daß Ultimatum an Serbien erst abzugeben, wenn die französische Delegation wieder an Bord und auf der Seereise nach Frankreich ist. Dieser Plan hatte zudem den Vorteil, daß Frankreich und Rußland so keine Zeit und noch weniger Gelegenheit hätten, sich abzustimmen. Voraussetzung für das Funktionieren des Planes war eine strikte Geheimhaltung.
Weiterhin ging man auf deutscher und österreichisch-ungarischer Seite davon aus, den Krieg auf Österreich-Ungarn und Serbien begrenzen zu können.

Es war Berchthold selber, der die Geheimhaltung brach. Er hatte Graf Heinrich von Lützow eingeladen, am Montag, dem 13. Juli an einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Tschirschky und dem östereichisch-ungarischen Unterstaatssekretär Graf Johan von Forgach teilzunehmen. Lützow war von 1904 bis 1910 österreichisch-ungarischer Botschafter in Italien und wurde anschließend in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er war ein enger Freund Berchtholds. Der Grund, Lützow hinzuzuziehen war vermutlich, sich einen unabhängigen Rat von ihm einzuholen.
Lützow warnte, daß die Vorstellung, einen Konflikt mit Serbien „lokalisieren“, also örtlich begrenzen zu können, ein reines Phantasieprodukt sei.

Es ist nicht klar, ob Berchthold Lützow zu Stillschweigen verpflichtet hat. Lützow kehrte auf seinen Landsitz zurück. Auf einem benachbarten Landsitz residierte der britische Botschafter in Wien, Sir Maurice de Bunsen, mit dem Lützow freundschaftlich verbunden war. Am 15. Juli trafen sich beide zu einem gemeinsamen Mittagessen. Lützow erläuterte, daß man Serbiens Unverschämtheiten nicht länger dulden werde und nach Abschluß von Untersuchungen eine Note übergeben werde. Sollte Serbien nicht nachgeben, würde man Gewalt anwenden, um es zu zwingen.

Über die Motivation Lützows, diese Informationen an die Briten zu geben, kann nur spekuliert werden.

Der britische Botschafter informierte am Folgetag seinen Außenminister Sir Edward Grey, daß eine Art Anklageschrift gegen die serbische Regierung vorbereitet würde wegen der Beteiligung an einer Verschwörung, die zur Ermordung des Erzherzogs geführt habe. Deutschland hätte den österreichisch-ungarischen Absichten bereits zugestimmt.

Am Folgetag machte Bunsen einen Termin mit Berchthold, um weitere Informationen einzuholen bzw. um die vorhandenen Informationen zu verifizieren. Berchthold ist auf das Thema aber nicht eingegangen.

In einem Gespräch mit dem italienischen Botschafter soll dieser gegenüber Bunsen geäußert haben, daß er sich nicht vorstellen könne, daß man Serbien unzumutbare Forderungen stellen würde, da weder der furchtsame Berchthold nach der vorsichtige Kaiser Franz Joseph eine solch unkluge Vorgehensweise gutheißen würde. Mit der Information der Italiener sollte das Thema bald ein offenes Geheimnis sein.

Am 16. Juli 1914 sprach der britische Botschafter mit dem russischen Botschafter in Wien, Nikolei Schebeko. Dabei erfuhr Schebeko, daß es im österreichisch-ungarischen Außenministerium ein Gespräch zwischen Berchthold und Forgach gegeben habe, bei dem es um die Formulierung einer scharfen Note an Serbien ging. Diese Note sollte drastische Forderungen enthalten, die für einen souveränen Staat nicht akzeptabel sind.
Schebeko informierte umgehend den russischen Außenminister Sergei Sasonow mit der Bitte, dem Wiener Kabinett klar zu machen, wie Russland auf die Tatsache reagieren würde, wenn Österreich-Ungarn Forderungen an Serbien stellen würde, die mit der Würde des Staates nicht annehmbar sind.

Zudem war es den Russen gelungen, die Verschlüsselung der österreichisch-ungarischen Diplomatenpost zu brechen. Aus zwei abgefangenen Telegrammen, die den Termin der Abreise der französischen Delegation behandelten, ließen sich Rückschlüsse auf die Absichten Berchthold’s ziehen.

Der Stabschef des russischen Außenminister, Baron Moritz Schilling war von seiner Stellung her mit Hoyos in Wien und Zimmermann in Berlin vergleichbar. Er hatte bereits vor Eingang der Informationen von Schebeko eigene Überlegungen zum möglichen österreichisch-ungarischen Vorgehen angestellt, nachdem er ein Gespräch mit Maquis Andrea Carlotti di Riparbella, dem italienischen Botschafter in St. Petersburg, geführt hatte. In diesem Gespräch brachte Schillig seine Überzeugung zum Ausdruck, daß die Überzeugung Österreich-Ungarns, den Konflikt lokalisieren zu können, abwegig sei und Russland nach seiner Einschätzung nicht gewillt sei, eine Demütigung Serbiens hinzunehmen. Er vertrat gegenüber Carlotti die Auffassung, daß eine russische Warnung an Wien als Provokation oder Ultimatum aufgefaßt werden könne und zu einer weiteren Verschärfung der Situation beitragen könne. Seine Empfehlung war, daß eine der mit Österreich-Ungarn verbündeten Nationen, also Deutschland oder Italien, eine entsprechende Warnung an Wien übermittel sollte.

Am 18. Juli 1914 kehrte der russische Außenminister von einer Reise auf das Land zurück und wurde von seinem Stabschef über das Telegramm von Schebeko und das Gespräch mit Carlotti informiert. Dies geschah in Vorbereitung auf ein für 11:00 Uhr festgesetzten Gesprächstermin, der auf Wunsch des österreichisch-ungarischen Botschafters in St. Petersburg, Graf Friedrich Szapary zustande kam.
Dabei versuchte Szapary herauszufinden, ob die Russen etwas von den österreichisch-ungarischen Absichten wissen und wenn ja was, während der russische Außenminister das Thema umging und jede Andeutung vermied, daß er über die Wiener Absichten bereits im Bilde war.
Nur acht Stunden nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub und ca. 24. Stunden vor dem Gipfeltreffen der russisch-französischen Allinanz mit dem französischen Präsidenten Poincare und den Premieminister Rene Viviani zog der russische Außenminister bereits militärische Maßnahmen als Antwort an ein österreichisch-ungarisches Ultimatum an Serbien in Betracht.
Am folgenden Tag informierte er den Zar Nikolaus II.
Der Plan Berchthold’s war zu diesem Zeitpunkt bereits hinfällig.

Heute vor 200 Jahren

Heute vor 200 Jahren begann die Völkerschlacht von Leibzig. Über 600000 Soldaten aus Russland, Preussen, Östereich, Schweden und Frankreich sowie zahlreichen anderen Ländern kämpften bis zum 19. Oktober 1813. Über 90000 Soldaten ließen in dieser Schlacht ihr Leben. Nach dem verlorenen Russlandfeldzug begann mit der Niederlage der Franzosen in Leibzig der Anfang vom Ende der Herrschaft Napoleons, das 1815 in Waterloo besiegelt wurde.
Ich möchte an dieser Stelle auf die lesenswerten Ausführungen des Deutschen Historischen Museums in Berlin hinweisen, das noch bis zum 16. Februar 2014 eine Sonderausstellung zu diesem Thema zeigt. Natürlich läßt sich auch Vieles noch viel detaillierter bei Wikipedia nachlesen.