Beobachtungen zum Stichwahlkampf

Bis zum Beginn der zweiten Kandidatenrunde zeichnete sich der Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Plön durch einen absolut fairen Umgang der Kandidaten untereinander und auch durch Zurückhaltung ihrer Anhängerinnen und Anhänger aus. Mit den Äußerungen von Bürgermeisterkandidat Meyer, die offenbar nicht nur von mir als Versuch wahrgenommen wurden, seinen Mitbewerber Winter mit dem Begriff „Berufspolitiker“ zu diskreditiren, nahm der Wahlkampf eine z.T. ins persönliche abgleitende Wendung, an der ich bei selbstkritischer Betrachtung nicht ganz unbeteiligt war.

So warf ich die Frage auf, ob Bürgermeisterkandidat Meyer als  CDU-Mitglied, das als bürgerliches Mitglied und als Stadtrat in den Ausschüssen und in der Ratsversammlung vertreten war und seit Herbst letzten Jahres gemeinsam mit dem Ortsvereinsvorsitzenden der CDU mehrere Ausschussitzungen und die Ratsversammlungen besucht hat, tatsächlich als unabhängig gelten kann. Neben einem sehr sachlichen Argumentatisonaustausch mit dem Ortsvereinsvorsitzenden der FDP kam es auf Facebook in Folge zu einer von mir so   empfundenen Schlammschlacht.

So wurde u.a. aufgefordert, den Namen Lars Winter zu googeln, vermutlich in der Kenntnis eines Artikels im OHA aus dem Jahr 2013, in dem im Zusammenhang mit der Einführung der doppelten Buchführung Kritik eines leitenden Beamten an der Arbeit von Lars Winter als Kämmerer geäußert wurde, allerdings ohne Fakten zu nennen. (Ergänzende Anmerkung: Der Autor des Beitrags sitzt in Sachen Namensgoogeln selbst im Glashaus und wird in einem Suchergebnis der von mir grundsätzlichen abgelehnten, so genannten „BILD-Zeitung“ in sehr unvorteilhafter Weise erwähnt). Als unter der Gürtellinie empfand ich auch die Gegenfrage an ihn, ob er sein Studium denn überhaupt erfolgreich beendet hat, worauf er nach meiner Meinung sinnvollerweise nicht weiter eingegangen ist.

Die Themenauswahl im Stichwahlkampfes war aus meiner Wahrnehmung bei dem Bürgermeisterkandidaten Meyer aus der Erfahrung es vorhergegangenen Wahlkampfes angepasst.

In seinem letzten Flyer hob er neben seiner Unabhängigkeit und Bürgernähe zusätzlich auf seine Kompetenz ab, ein Themenfeld, mit dem der Gegenkandidat nach meiner Bewertung deutlich gepunktet hat.

Mit den sechs Punkten des Meyer-Flyers sind substanziell, so dass sie wert sind, sich mit ihnen im einzelnen noch einmal – auch inhaltlich – auseinanderzusetzen.

1. Plön erhalten – Wachstum sichern.
Hier spricht er sich gegen eine Innenraumverdichtung aus. Damit wird vermutlich unterschwellig für das Neubaugebiet Seewiesen (bzw. nach der Umbenennung Wohngebiet Trammer See) argumentiert, obwohl das Bundesbaugesetz eine Innenraumverdichtung verpflichend vorschreibt und eine Bebauung im Außenbereiches nur zulässig ist, sofern nachgewiesen ist, dass es kein Potential im Innenbereich gibt. Das ist aber nicht der Fall. Auffallend ist, dass vermieden wird, das Wort Seewiesen bzw. Baugebiet Trammer See zu nennen, a bekannt sein dürfte, dass es für dieses Vorhaben in der Wählerschaft keine Mehrheit gibt.
Die Forderungen nach Barrierefreiheit, seniorengerechtem Wohnen, flexibler Kinderbetreuung und nach schnellem Internet kann ich hingegen unterstützen, sie finden sich allerdings auch beim Bürgermeisterkandidaten Winter wieder.

2. Keine Kieler Politik in Plön.
Dieser Punkt richtet sich direkt gegen den Kandidaten Winter, der mit seiner fachlichen Kompetenz und seiner guten Arbeitsbeziehungen in die Landesregierung geworben hat. Im Gegenzug wird hier  von einseitigen Kieler Politikvorgaben gesprochen.
Genau andersherum wird ein Schuh draus. Städtische Planungen und Interessen sind natürlich mit den Fachbehörden des Kreises und des Landes abzustimmen. Hierbei helfen vorhandene und verläßliche Arbeitsbeziehungen. Der Bürgermeisterkandidat Winter verfügt über genau diese Verbindungen, der Bürgermeisterkandidat Meyer nach meiner Beobachtung nicht.

3. Kurze Drähte – schnelle Lösungen.
Die Einrichtung einer Bürgerhotleine ist eine gute Idee, schnelle Entscheidungen ersetzt aber keine  gründliche, gesetzeskonforme und gewissenhafte Verwaltungsarbeit. Bislang waren die Verwaltung und der Bürgermeister telefonisch oder per EMail auch für die Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar. Nach meiner Erfahrung hat sich die Verwaltung bislang auch immer um schnelle und sachorientierte Lösungen bemüht.

4. Besser Einkaufen – freier Parken.
Die Parkgebühren sind ein immer wiederkehrend diskutiertes Thema. Verkürzungen der Einnahmen aus Parkgebühren führen zwangsautomatisch zu einer Kürzung der Fehlbedarfszuweisungen in gleicher Höhe. Städte und Geeinden, die finanziell unterstützt werden, müssen alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen, auch Plön. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn die Absicht, die „Brötchenzeit“ auf 30 Minuten anzuheben, umgesetzt wird. Ergänzend würde ich mich freuen, wenn die „Brötchenzeit“ auf die Parkzeit angerechnet wird. Zur Kompensation der Einnahmeverluste wären die Gebühren moderat anzuheben. Das würde Gäste mit kurzen Parkzeiten, vorwiegend Einkäufer, begünstigen und könnte als Impuls für das Plöner Geschäftsleben wirken.

5. Verwaltung stärken – ein gutes Team für Plön.
Die Mitarbeiter (kurze Zwischenfrage: auch die Mitarbeiterinnen?) individuell fördern und ein Personalentwicklungskonzept erstellen und umsetzen, Abläufe optimieren, neue Aufgabenfelder erschließen.
Bis auf die Erschließung neuer Aufgabenfelder handelt es sich um selbstverständliche Daueraufgaben. Interessant wäre, welche neuen Aufgabenfelder erschlossen werden sollen. M.E. kann es sich nur um neue Aufgabenfelder für die Stadtwerke (GmbH) handeln. Ansonsten wäre die Verwaltung aus meiner Sicht eher im Rahmen der natürlichen Fluktuation unter Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen zu verschlanken.

6. Wirtschaft fördern – Zukunft gestalten.
Ein absolut wichtiges Ziel. Allerdings ist Stadtmarketing ein belegter Begriff für die Interessenvertretung der Plöner Kaufmann- und Handwerkerschaft. Hier ist aus meiner Sicht klar zu trennen. Nach meiner festen Überzeugung gehören sie Stadtentwicklung und die Wirtschaftsförderung in einer Stabsstelle zusammengafaßt direkt dem Bürgermeister unterstellt. Das Stadtmarketing als Interessenvertretung ist ein wichtiger Gesprächs- und Kooperationspartner, aber nicht durch die Verwaltung zu finanzieren. Hier darf es zu keiner Vermischung kommen.

Leider vermisse ich den Programmpunkt: Erstellung eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes. Hiermit hatte Kandidat Meyer noch vor dem ersten Wahltermin geworben.

Der Bürgermeisterkandidat Winter hat nach meiner Beobachtung an seinem Wahlprogramm festgehalten und keine weiteren Anpassungen vorgenommen. In meinem Briefkasten fand ich lediglich einen Flyer, mit dem zur Wahl aufgerufen wurde. Mit der Veranstaltung zum Thema Sicherheit konnte er den Innenminister als prominenten Gast gewinnen.

Zu guter letzt gab es noch die Kampagne „Plön braucht keinen Winter“. Schade, das ist an Peinlichkeit schwer zu unterbieten, bestenfalls als Kalauer zu belächeln und wegen Vernuftbeleidigung auch nicht weiter kommentarwürdig. Allein, dass das Erscheinungsbild sehr an das frühere Erscheinungsbild der Werbung von Bündnis 90/Die Grünen erinnert, kann geeignet sein, die Vermutung aufkommen zu lassen, dass die FDP hier unter “falscher Flagge” um Wählerstimmen kämpft. Die CDU-Kampagne „Rotes Rathaus“ ist derart substanzlos, dass bei mir Erinnerungen an so herrlich sinnentleerte Wahlsogans wie „Freiheit statt Sozialismus“ aufkamen.

Vermutlich werden beide Kandidaten vor dem morgigen Wahltag noch einmal reichlich nachplakatieren. Ich hatte den Eindruck, dass sich lediglich der bereits ausgeschiedene Bürgermeisterkandidat Paustian an die Vorgaben zur maximalen Anzahl von Wahlplakaten gehalten hat.

Wieder einmal zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. In wie weit sich das auf den Wahlausgang auswirken wid, kann ich nicht beurteilen. Ich bin auf Sonntag gespannt und habe mein Kreuz bereits an der richigen Stelle gemacht.

Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters

Plön hat gwählt und muß am 17. Juli gleich noch einmal ran. Keiner der drei Kandidaten konnte im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringen. Mit Lars Winter (SPD / 39,8%) und Stefan Meyer (CDU / 31,7%) gehen die beiden Kandiaten mit den meisten Stimmen in die Stichwahl. Der bisherige Amtsinhaber Jens Paustian (Parteilos / 28,5%) ist damit ausgeschieden und wird sein Amt Anfang nächsten Jahres übergeben müssen.
Ich persönlich habe mich im Vorfeld der Wahl mit Vorhersagen schwer getan. Meine Vermutung ging dahin, dass der Amtsinhaber die meisten Stimmen erhält und in der Stichwahl gegen einen der Herausforderer antreten wird. In Folge hätte ich mit einem Sieg des verbliebenen Herausforderers gerechnet, weil er dann mit der Unterstützung aller Parteien in die Wahl gegangen wäre. Da die CDU sich ausdrücklich gegen den bisherigen Amtsinhaber ausgesprochen hat, wäre eine Wende wie bei der letzten Wahl, als sie sich kurz vor dem Wahltermin und für alle überraschend hinter Jens Paustian stellte, sehr unwahrscheinlich gewesen.
Jetzt treten beide Herausforderer gegeneinander an. Lars Winter geht mit einem Vorsprung von über 10 % bzw. 311 Stimmen in die Stichwahl. Das ist ein recht deutlicher Abstand, aber es wird entscheidend darauf ankommen, ob die „Paustianwähler“ erneut zur Wahl gehen und für welchen Kandidaten sie sich dann mehrheitlich entscheiden.
Lars Winter (SPD) konnte alle Wahlbezirke für sich entscheiden. Stefan Meyer (CDU) war in drei von fünf Wahlbezirken zweitplatziert, im Bezirk „Breitenauschule I“ konnte er stimmengleich mit Jens Paustian aus dem Rennen gehen, im Wahlbezirk „Feuerwehrhaus“ lag der Amtsinhaber mit 13 Stimmen vor dem Herausforderer Meyer.
Sehr verwunderlich finde ich, dass Stefan Meyer in dem Wahlbezirk, in dem er seinen Wohnsitz hat, mit deutlichem Abstand hinter Lars Winter lag.

Karten im Bürgermeisterwahlkampf neu gemischt

Am vergangenen Mittwoch erschien im Reporter eine Anzeige, mit der sich alle in der Ratsversammlung vertretenen Parteien auf die Suche nach einem neuen Bürgermeister machten.
Parallel dazu wurde die Internetpräsenz „ploen-waehlt.de“ geöffnet.
Mit der heutigen Bekanntgabe der Kandidatur des Landtagsabgeordneten Lars Winter wurden die Karten neu gemischt.

Mit der gemeinsamen Suche nach einem Gegenkandidaten haben die Parteien dem amtierenden Bürgermeister im Grunde genomen das Vertrauen entzogen. Das hat das OHZ im gestrigen Artikel so völlig zutreffend beschrieben.
Bemerkenswert fand ich, dass sich die CDU gemeinsam mit den anderen Parteien auf die öffentliche Suche nach einem Kandidaten begeben hat, obwohl mit Herrn Stefan Meyer bereits ein Parteimitglied sein Interesse an einer Kandidatur öffentlich bekundet hatte.
Bedeutet das, dass man in der CDU seinem eigenen Vorschlag nicht vertraut hat? Kann es Ausdruck der Zerrissenheit innerhalb der Fraktion oder zwischen Fraktion und Ortsvorstand sein?
Mit dem Kandidatenduo Paustian-Meyer hätte die Bürgermeisterwahl durchaus spannend werden können. Zum einen wäre ich überrascht gewesen, wenn tatsächlich alle Parteien den CDU-Mann bis zum Ende unterstützt hätten, zum anderen ist der amtierende Bürgermeister in der Bevölkerung ja durchaus beliebt. Wie sagte mir jemand heute morgen beim Einkaufen auf dem Markt: „Den Bürgermeister wählen immer noch wir Bürger.“ Ich hatte bis vor drei Stunden die größeren Chancen beim jetzigen Bürgermeister gesehen.

Mit der Kandidatur von Lars Winter ist es der SPD gelungen, ein richtiges Schwergewicht mit guten Aussichten ins Rennen zu schicken. Nicht nur, dass Herr Winter Plöner Wurzeln hat, er hat auch  Führungsverantwortung in der Kommunalverwaltung getragen, ist ein Finanzexperte und als Landtagsabgeordneter mit Sicherheit hervorragend in der Landespolitik vernetzt. Er entspricht in vollem Umfang dem Anforderungsprofil, das die Plöner Parteien in ihrer gemeinsamen Anzeige formuliert haben. Nun wird es interessant, ob sich neben der SPD die übrigen Parteien hinter den Kandidaten stellen,  besonders spannend wird, wie sich die CDU verhält.
Auf jeden Fall steht mit Herrn Lars Winter ein Kandidat bereit, der gute Chancen hat, gegen den amtierenden Bürgermeister zu gewinnen.

Mir war schon seit längerem bekannt, dass Herr Winter als möglicher Kandidat im Gespräch ist, habe aber diesbezüglich keine öffentlichen Vermutungen geäußert, um die Kandidatur nicht frühzeitig bekannt zu machen und damit zu gefährden. Ich wünsche Herrn Lars Winter für den Wahlkampf viel Erfolg und, wenn erforderlich, auch noch das nötige Glück dazu.

Vor 100 Jahren II

Ich hatte bereits Anfang Juli, 100 Jahre nach den Attentat auf den österreichischen Thronfolger, über die diplomatischen Vorgänge geschrieben, die letztendlich zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führen sollten. Heute vor 100 Jahren erklärte Österreich – Ungarn Serbien den Krieg und setzte damit eine verhängnisvolle Spirale in Gang.

Die weiteren österreichisch-ungarischen Überlegungen wurden durch das bevorstehende französisch-russische Gipfeltreffen in St.Petersburg (später Leningrad) bestimmt. Der österreichisch-ungarische Außenminister Berchtold wollte auf jeden Fall vermeiden, daß das Ultimatum bekannt gemacht wird, wenn sich der französische Präsident Poincare in der russischen Hauptstadt aufhält. So sollte vermieden werden, daß die beiden Verbündeten auf höchster Ebene schnell zu einer gemeinsamen und abgestimmten Position kommen.

Eine Seereise von der französischen Kanalküste nach St. Petersburg nahm seinerzeit ca. fünf Tage in Anspruch. Das Eintreffen der französischen Delegation war für den 20. Juli vorgesehen. Ein österreichisch-ungarisches Ultimatum mit einer 48-stündigen Laufzeit hätte also bereits am 18. Juli abgegeben werden müssen, um eine russisch-französische Abstimmung unmöglich zu machen.
In Anbetracht der Tatsache, daß sich noch Teile der österreichisch-ungarischen Truppen im Ernteurlaub befanden und die Zeit für die Mobilmachung auch noch hinzukommen würde, wurde dieser Zeitplan verworfen.

Berchtold ging weiterhin davon aus, daß die französische Delegation St. Petersburg am 25. Juli wieder verlassen wird. Daher wurde beschlossen, daß Ultimatum an Serbien erst abzugeben, wenn die französische Delegation wieder an Bord und auf der Seereise nach Frankreich ist. Dieser Plan hatte zudem den Vorteil, daß Frankreich und Rußland so keine Zeit und noch weniger Gelegenheit hätten, sich abzustimmen. Voraussetzung für das Funktionieren des Planes war eine strikte Geheimhaltung.
Weiterhin ging man auf deutscher und österreichisch-ungarischer Seite davon aus, den Krieg auf Österreich-Ungarn und Serbien begrenzen zu können.

Es war Berchthold selber, der die Geheimhaltung brach. Er hatte Graf Heinrich von Lützow eingeladen, am Montag, dem 13. Juli an einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Tschirschky und dem östereichisch-ungarischen Unterstaatssekretär Graf Johan von Forgach teilzunehmen. Lützow war von 1904 bis 1910 österreichisch-ungarischer Botschafter in Italien und wurde anschließend in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er war ein enger Freund Berchtholds. Der Grund, Lützow hinzuzuziehen war vermutlich, sich einen unabhängigen Rat von ihm einzuholen.
Lützow warnte, daß die Vorstellung, einen Konflikt mit Serbien „lokalisieren“, also örtlich begrenzen zu können, ein reines Phantasieprodukt sei.

Es ist nicht klar, ob Berchthold Lützow zu Stillschweigen verpflichtet hat. Lützow kehrte auf seinen Landsitz zurück. Auf einem benachbarten Landsitz residierte der britische Botschafter in Wien, Sir Maurice de Bunsen, mit dem Lützow freundschaftlich verbunden war. Am 15. Juli trafen sich beide zu einem gemeinsamen Mittagessen. Lützow erläuterte, daß man Serbiens Unverschämtheiten nicht länger dulden werde und nach Abschluß von Untersuchungen eine Note übergeben werde. Sollte Serbien nicht nachgeben, würde man Gewalt anwenden, um es zu zwingen.

Über die Motivation Lützows, diese Informationen an die Briten zu geben, kann nur spekuliert werden.

Der britische Botschafter informierte am Folgetag seinen Außenminister Sir Edward Grey, daß eine Art Anklageschrift gegen die serbische Regierung vorbereitet würde wegen der Beteiligung an einer Verschwörung, die zur Ermordung des Erzherzogs geführt habe. Deutschland hätte den österreichisch-ungarischen Absichten bereits zugestimmt.

Am Folgetag machte Bunsen einen Termin mit Berchthold, um weitere Informationen einzuholen bzw. um die vorhandenen Informationen zu verifizieren. Berchthold ist auf das Thema aber nicht eingegangen.

In einem Gespräch mit dem italienischen Botschafter soll dieser gegenüber Bunsen geäußert haben, daß er sich nicht vorstellen könne, daß man Serbien unzumutbare Forderungen stellen würde, da weder der furchtsame Berchthold nach der vorsichtige Kaiser Franz Joseph eine solch unkluge Vorgehensweise gutheißen würde. Mit der Information der Italiener sollte das Thema bald ein offenes Geheimnis sein.

Am 16. Juli 1914 sprach der britische Botschafter mit dem russischen Botschafter in Wien, Nikolei Schebeko. Dabei erfuhr Schebeko, daß es im österreichisch-ungarischen Außenministerium ein Gespräch zwischen Berchthold und Forgach gegeben habe, bei dem es um die Formulierung einer scharfen Note an Serbien ging. Diese Note sollte drastische Forderungen enthalten, die für einen souveränen Staat nicht akzeptabel sind.
Schebeko informierte umgehend den russischen Außenminister Sergei Sasonow mit der Bitte, dem Wiener Kabinett klar zu machen, wie Russland auf die Tatsache reagieren würde, wenn Österreich-Ungarn Forderungen an Serbien stellen würde, die mit der Würde des Staates nicht annehmbar sind.

Zudem war es den Russen gelungen, die Verschlüsselung der österreichisch-ungarischen Diplomatenpost zu brechen. Aus zwei abgefangenen Telegrammen, die den Termin der Abreise der französischen Delegation behandelten, ließen sich Rückschlüsse auf die Absichten Berchthold’s ziehen.

Der Stabschef des russischen Außenminister, Baron Moritz Schilling war von seiner Stellung her mit Hoyos in Wien und Zimmermann in Berlin vergleichbar. Er hatte bereits vor Eingang der Informationen von Schebeko eigene Überlegungen zum möglichen österreichisch-ungarischen Vorgehen angestellt, nachdem er ein Gespräch mit Maquis Andrea Carlotti di Riparbella, dem italienischen Botschafter in St. Petersburg, geführt hatte. In diesem Gespräch brachte Schillig seine Überzeugung zum Ausdruck, daß die Überzeugung Österreich-Ungarns, den Konflikt lokalisieren zu können, abwegig sei und Russland nach seiner Einschätzung nicht gewillt sei, eine Demütigung Serbiens hinzunehmen. Er vertrat gegenüber Carlotti die Auffassung, daß eine russische Warnung an Wien als Provokation oder Ultimatum aufgefaßt werden könne und zu einer weiteren Verschärfung der Situation beitragen könne. Seine Empfehlung war, daß eine der mit Österreich-Ungarn verbündeten Nationen, also Deutschland oder Italien, eine entsprechende Warnung an Wien übermittel sollte.

Am 18. Juli 1914 kehrte der russische Außenminister von einer Reise auf das Land zurück und wurde von seinem Stabschef über das Telegramm von Schebeko und das Gespräch mit Carlotti informiert. Dies geschah in Vorbereitung auf ein für 11:00 Uhr festgesetzten Gesprächstermin, der auf Wunsch des österreichisch-ungarischen Botschafters in St. Petersburg, Graf Friedrich Szapary zustande kam.
Dabei versuchte Szapary herauszufinden, ob die Russen etwas von den österreichisch-ungarischen Absichten wissen und wenn ja was, während der russische Außenminister das Thema umging und jede Andeutung vermied, daß er über die Wiener Absichten bereits im Bilde war.
Nur acht Stunden nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub und ca. 24. Stunden vor dem Gipfeltreffen der russisch-französischen Allinanz mit dem französischen Präsidenten Poincare und den Premieminister Rene Viviani zog der russische Außenminister bereits militärische Maßnahmen als Antwort an ein österreichisch-ungarisches Ultimatum an Serbien in Betracht.
Am folgenden Tag informierte er den Zar Nikolaus II.
Der Plan Berchthold’s war zu diesem Zeitpunkt bereits hinfällig.